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Steigende Öl-PreiseBahnhöfe in Zukunft voller

Bis zum Jahr 2020 soll sich der Bahnverkehr im Vergleich zu 1994 verdoppeln. Grund sind die rasant steigenden Ölpreise, die das Bahnfahren attraktiv machen.

Wird in Zukunft voraussichtlich voller: Bahnhof Berlin-Spandau. Bild: chaosinjune - Lizenz: CC-BY

BERLIN taz | Das Wachstum des Schienenverkehrs in Deutschland wird sich bis zum Jahr 2020 dramatisch beschleunigen. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die die Eisenbahn-Lobbyorganisation "Allianz pro Schiene" jetzt vorstellte. "Schon heute wächst der Schienenverkehr schneller als der Straßenverkehr", sagte Allianzchef Dirk Flege.

Seit der Bahnreform von 1994 gebe es einen Zuwachs bei den Personenkilometern in Höhe von 25 Prozent. "Unsere Rechenszenarien für den Personenverkehr auf der Schiene bewegen sich im Rahmen von plus 56 bis plus 100 Prozent bis zum Jahr 2020." Hauptursache dafür seien die steigenden Ölpreise, die die Nachfrage nach Bahnverkehr ankurbeln werde. Die Szenarien ergäben sich bereits, wenn man die aktuellen Trends beim Verkehrsverhalten der Deutschen und bei den Erdölpreisen fortschreibe.

Verwundert zeigt sich die Schienenlobby darüber, dass im Bundesverkehrswegeplan, den die neue schwarz-gelbe Bundesregierung aktualisieren muss, mit einem Ölpreis von maximal 42 US-Dollar pro Fass für das Jahr 2020 gerechnet wird. Und das, obwohl der Ölpreis derzeit bei rund 70 Dollar steht und im vergangenen Jahr bei knapp 150 Dollar gelegen hatte. "Das ist unseriös", kritisiert Flege. "Öl wird nie wieder so billig sein." Der Studie zu Folge wird der Benzinpreis im Jahr 2015 bei 2,10 Euro pro Liter liegen, im Jahr 2020 werden es 3,42 Euro sein, und vier Jahre später könnte schon die 5-Euro-Marke geknackt werden.

Von dem amtlichen Rechenfehler profitiere vor allem der Straßenverkehr, kritisiert die Schienenlobby. Die Nachfrage beim derzeit hauptsächlich erdölabhängigen Straßenverkehr werde künstlich groß und die Nachfrage beim weitgehend elektrisch betriebenen Schienenverkehr künstlich gerechnet, so Flege. "Bei realistischen Ölpreisprämissen wird die

Debatte über den nötigen Ausbau der Infrastruktur für die einzelnen Verkehrsträger ganz anders geführt als bei einer Planung, die von Ölpreisen ausgeht, die wir schon lange nicht mehr haben."

Die Schienenlobby fordert das Verkehrsministerium auf, künftig mit realistischen Szenarien zu rechnen. Zudem sollten die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur richtig gesetzt werden.

Bei den Bahnen fordert die Allianz darüber hinaus eine neue Netzphilosophie. Statt teurer Einzelprojekte helfe ein Ansatz, der das Netz als Ganzes betrachte und durchlässiger mache.Flege: "Die Nachfrage nach Schienenverkehr wird explodieren, nur die Bahnen und die Politik sind darauf noch nicht vorbereitet."

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6 Kommentare

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  • S
    Sonja

    an Jürgen Lang und all die anderen Auto-Egoisten

     

    Natürlich werden Bahn und öffentliche Verkehrsmittel immer unattraktiver, wenn alle so egoistisch denken und dies von der Politik auch noch unterstützt wird. Was wir brauchen ist eine Politik, die den Ausbau der öffentlichen Nahverkehrsmittel mehr unterstützt, damit diese wieder attraktiv werden. Und anscheinend ist auch eine Menge Überzeugungsarbeit nötig, um den ganzen ignoranten Egoisten klarzumachen, dass dies ganz sicher sinnvoller ist, als ständig nur den motorisierten Individualverkehr zu fördern.

     

    Im Prinzip sind die meisten der bisherigen Kommentatoren nicht besser als jene, die in früheren Zeiten den Atomkraftgegnern vorwarfen, fortschrittsfeindlich zu sein.

  • JL
    Jürgen Lang

    Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen, Bahnverkehr verdoppeln, wenn man heute zu Spitzenzeiten Zug fährt. Und dass all die neuen Kunden so nett sind, ihren Terminplan an den nicht so doll ausgnützten Zügen zu orientieren, daran darf man zweifeln. Die Bahnbefürworter tun immer so, als sei öffentlicher Verkehr in jeder beliebigen Menge herstellbar. ICEs im S-Bahn Takt auf den Hauptstrecken bei Tempo 300? Und wann fährt dann der Regionalexpress in die Nachbarstadt? Es geht, glaub ich, nicht ohne weniger Mobilität.

  • C
    Chrich

    @segfault:

    Ja, ich gebe Dir ja recht - leider sind meiner Meinung nach beide Systeme nicht sonderlich ausgereift für die heutigen Ansprüche.

     

    Die tatsächlichen Kosten hängen extrem von den jeweiligen Umständen ab. Allein, zu zweit, Familie? 10km, 100km oder 500km? Wie weit ist der nächste Bhf weg? Steht ein Auto zur Verfügung?

     

    Meinen Kommentar habe ich absichtlich etwas provokativ geschrieben. korruptas ministerias hörte sich zu sehr nach den Leuten in meinem Bekanntenkreis an: "Der Sprit kost' doch nur 15€, und das Ticket 80€".

     

    ich glaube, eine ewige Diskussion... :)

  • S
    segfault

    @Chrich:

     

    Ja, klar, man kann natuerlich die Kosten des Autofahrens so weit nach oben rechnen, dass sie ueber den Bahnkosten liegen. Aber:

     

    1. ist so eine Bahncard ja auch nicht gerade geschenkt, sondern will jedes Jahr bezahlt werden (und ist damit auf Dauer teurer als der Fuehrerschein)

    2. zahlt die DB die Trassengebuehren ja wohl praktisch an sich selbst

    3. Laerm verursacht die Bahn genauso, und ausserdem faehrt so ein ICE ja auch nicht mit warmer Luft

    4. Dann muss aber auch eine Entschaedigung fuer Verspaetungen, dreckige und kaputte Zuege und nervtoetende Mitreisende her.

     

    Fazit: Deine Rechnung ist ganz schoen unserioes. Und Autofahren ist -wenn man nicht alleine in der Kiste hockt- leider *deutlich* billiger als Bahnfahren. Sagt ein Bahndauernutzer :-(

  • C
    Chrich

    @korruptas ministerias

    Ich habe keine Ahnung, wie weit Du gefahren bist, aber ich bin mir sicher, dass:

    1. Du keine BahnCard hast (aber z.B. einiges für den Führerschein bezahlt hast)

    2. Keine Autobahnmaut zahlen musstest (was die Bahn für jeden km Strecke tun muss [Trassengebühren])

    3. Wie eigentlich jeder keine externen Effekte wie Lärm, Unfälle, Verschmutzung usw. berücksichtigt hast.

    4. Keinen Stundensatz auf die Zeit angesetzt hast, die Du im Zug hättest [lesen|arbeiten|schlafen|...] können, während Du im Auto Deine Zeit 'verfährst'.

     

    Besten Gruß,

    Christian

  • KM
    korruptas ministerias

    Wollte vor kurzem nach Berlin und bin mit dem eigenen Auto gefahren, weil die Bahn unglaublich teuer war. Hab verschiedene Möglichkeiten geprüft....die Bahn war die teuerste Alternative von allen. Fliegen war günstiger, selber fahren war erheblich günstiger. Es wäre sogar günstiger gewesen einen Mietwagen für drei Tage inkl. Sprit und freier Kilometer zu mieten. Kein Wunder, wenn der grösste Vorteil der Bahn spontan hingehen und losfahren durch die höchsten Preise abgewürgt wird.