Staudammprojekt in der Türkei: Ilisu-Gegner machen mobil
Kritiker des geplanten Staudamms in der Türkei debattieren mit Experten in Berlin. Bald fällt die Entscheidung, ob das Megaprojekt gebaut wird.
BERLIN taz | Fünf Wochen vor der Entscheidung über den Bau des Ilisu-Staudamms im Südosten der Türkei haben sich rund 400 Staudammgegner, Fachleute und Regierungsvertreter am Donnerstagabend zu einem "Ilisu Gipfel" in Berlin getroffen.
Am 6. Juli wollen die Exportkreditagenturen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz darüber entscheiden, ob die Türkei beim Bau des umstrittenen Megastaudamms maßgebliche Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank erfüllt.
Sie sind eine Voraussetzung für die Freigabe europäischer Exportkredite über 450 Millionen Euro. Ohne das Geld und Know-how der Europäer gilt der Bau des Staudamms als unwahrscheinlich.
Wegen erheblicher Verstöße gegen den Schutz der Umwelt, die Bewahrung von kostbaren Kulturgütern sowie die ungeklärte Umsiedlung von 60.000 Menschen hatten die Kreditagenturen im Dezember einen vorläufigen Baustop verfügt und der Türkei sechs Monate Zeit gegeben, um die Planungen Weltbankskonform zu gestalten.
Auf dem Ilisu-Gipfel bekräftigte ein maßgeblicher Vertreter der Bundesregierung nun diese Haltung: "Wenn die vereinbarten Ziele am 6. Juli nicht erfüllt sind, wird es mit Sicherheit keine Beteiligung von Deutschland, Österreich und der Schweiz geben", sagte Hans-Joachim Henckel, Vorsitzender des Interministeriellen Ausschusses für Exportkreditgarantien des Bundes.
Henckel nahm auf dem Gipfel 70.000 Unterschriften von Staudammgegner aus der Türkei entgegen. Er betonte im Gespräch mit der taz, die wichtigen Entscheidungen würden in Ankara fallen: "Was bis zu dem Stichtag vorliegt, liegt an der Türkei". Sollten die Europäer aus dem Projekt aussteigen, werde dies nach Auffassung von Henkel jedoch keineswegs das Ende des Ilisu-Projektes bedeuten. "Wenn die Türkei Ilisu bauen will, dann wird sie es auch ohne Deutschland tun".
Fachleute aus den USA, dem Irak und der Türkei verwiesen auf dem Ilisu-Gipfel auf die massiven Auswirkungen, die der Staudamm an der Grenze zu Syrien und dem Irak hätte. "Tausende Menschen werden durch den Staudamm ihre Heimat verlieren, eine funktionierende Landwirtschaft wird zerstört und die Armut in der Region massiv erhöht", sagte Robert Goodland, der die weltweit maßgeblichen Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank mit entwickelt hat.
Goodland warnte auch vor der Zuspitzung regionaler Spannungen, da der Ilisu Staudamm die Wasserversorgung des Irak massiv beeinträchtige. Der Wasserexperte und UN-Botschafter des Irak, Hassan Janabi, erklärte, der Ilisu-Staudamm würde zu einer Austrocknung ganzer Regionen im Irak führen, die bislang fruchtbare Feuchtgebiete sind.
Goodland bewertete die bisherigen Planungen der Türkei mit einem vernichtenden Urteil: "In allen Bereichen wird schwerwiegend gegen die Weltbank-Standards für Umwelt, Kulturgüter und Umsiedlung verstoßen." Erst für sechs von 200 Dörfern lägen Umsiedlungspläne vor.
Selbst bei Erfüllung der geforderten 153 Auflagen, die die Türkei bis zum 6. Juli nachbessern muss, würden die Weltbankstandards "bei weitem nicht erreicht", sagte Goodland und forderte: "Deutschland, Österreich und die Schweiz müssen aus dem Ilisu-Projekt aussteigen".
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