„Staub zu Glitzer“-Mitglied zu Pollesch: „Wir wollen kollektive Strukturen“
Die Volksbühne bekommt mit René Pollesch einen neuen Intendanten. Das Haus müsse grundlegend umstrukturiert werden, sagt Aktivistin Sarah Waterfeld.
taz: Frau Waterfeld, der Berliner Senat hat bekanntgegeben, dass René Pollesch der neue Intendant der Volksbühne sein wird. Sind Sie als Mitglied des Künstler*innen-Kollektivs Staub zu Glitzer damit einverstanden?
Sarah Waterfeld: Seit 2017 setzen wir uns für eine grundlegende Umstrukturierung des Hauses ein. Wir haben einen partizipativen Konzeptfindungsprozess eingefordert und nach der polizeilichen Räumung der Volksbühne einen Verfahrensvorschlag verschriftlicht und dem Kultursenat vorgelegt. In diesem Sinne veranstalten wir auch einen Alternativen Volksbühnengipfel, bei dem möglichst viele Menschen zu Wort kommen sollen.
Was erhoffen Sie sich konkret von der neuen Intendanz?
Unser Kollektiv setzt sich für Dehierarchisierungsprozesse und kollektive Strukturen ein. Wenn ich Polleschs Arbeit der vergangenen 20 Jahre richtig verstanden habe, sind ihm solche Forderungen nicht ganz fremd. Wir haben im Mai 2018 sofort das Gespräch mit dem Interimsintendanten Klaus Dörr gesucht. Auch jetzt setzen wir zunächst auf Gespräche.
Die 25-jährige Intendanz unter Frank Castorf, bei der Réné Pollesch zur intellektuellen Galionsfigur des Regietheaters avancierte, war in jeder Hinsicht erfolgreich, hatte aber nicht nur Freund*innen. Wie wollen Sie mit Kritiker*innnen fertigwerden?
Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz steht in einer sehr spezifischen künstlerischen, aber auch politischen Tradition, an die wir anknüpfen. Dieses Theater wurde nicht einfach von Arbeiter*innen und ihren Groschen finanziert. Es handelte sich um eine emanzipierte, politisierte und organisierte Arbeiter*innenschaft, die ein Theater einforderte. Wir müssen uns in diesen politisch beunruhigenden Zeiten die Frage stellen, welche Art von Theater diese Stadt braucht. Es gibt genügend andere Theaterhäuser in der Stadt für Theaterfans aller Art. Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz trägt ihren Anspruch bereits im Namen.
Die neueste Entwicklung muss nun als großer Erfolg des zivilgesellschaftlichen Engagements, auch Ihres eigenen, in Berlin gelten. Wie wollen Sie die unterschiedlichen linken Milieus künstlerisch unter einen Hut bringen?
Wie gesagt existiert ein umfänglicher Verfahrensvorschlag, der unter anderem bei nachtkritik.de (Theaterfeuilleton im Netz, Anm. d. Red.) veröffentlicht wurde. Den betrachten wir als Diskussionsgrundlage.
ist Sprecherin des Künstler*innen-Kollektivs „Staub zu Glitzer“. Das Kollektiv besetzte im Jahr 2017 die Volksbühne. Es beschreibt sich als queer und antikapitalistisch.
Auf der Pressekonferenz am Mittwoch gab man sich offen gegenüber einer Zusammenarbeit der Volksbühne mit der linken Berliner Kulturproduzent*innenszene. Was meinen Sie, wie sollen diese Akteur*innen alle bezahlt werden?
Ich kann nur sagen, dass unser Kollektiv seit über zwei Jahren unentlohnt arbeitet, so wie es viele andere Kunstschaffende auch tun. In Entlohnungsfragen sind wir also nicht als Expert*innen zu betrachten. Das ist zum Glück auch nicht unsere Aufgabe. Wir glauben auch nicht, auf alle Fragen eine Antwort zu haben. Wir setzen da eher auf Schwarmintelligenz. In Berlin gibt es so viele tolle, engagierte Menschen mit einem reichen Erfahrungsschatz. Unser Ruf nach kollektivem Arbeiten ist Pragmatismus. Am Ende hoffen wir auf das bestmögliche und progressivste Ergebnis, das von möglichst vielen Menschen getragen und verantwortet wird.
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