Statistik: Feinde gesucht

Dem Bremer Amt für Verfassungsschutz gehen die Extremisten aus. So müssen 2.000 Gläubige von Milli Görüs-Gemeinden herhalten, um den "Islamismus" zu pushen.

Laut Bremer Verfassungsschutz fast alles Islamisten: Eine Milli-Görus-Gruppe, hier in Duisburg. Bild: dpa

Bremen ist, was den Verfassungsschutz angeht, ein schwieriges Pflaster. Die rechtsextremen Organisationen NPD und DVU leiden unter Mitgliederschwund, beide haben Probleme, Aktive für Vorstandspositionen zu begeistern. Dass beide Parteien darüber reden, eventuell 2011 gemeinsam zu kandidieren, sei ein "Zeichen der Schwäche", heißt es im Verfassungsschutzbericht 2009. Das Bundestagswahlergebnis zeige den "desolaten Zustand" der Parteien.

Die Zahl der dem Bereich "Linksextremismus" zugeordneten Gewalttaten hat bundesweit zugenommen - nicht aber in Bremen. Es waren 12. Erstmals habe es 2009 Brandanschläge auf Fahrzeuge gegeben, vier insgesamt. Auf die Täter gibt es keinerlei Hinweise. Dass die Anschläge dem Bereich "Linksextremismus" zugerechnet werden, so erklärt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), liege nur daran, dass einmal ein Wagen des Paketdienstes der Deutschen Post DHL "angefackelt" wurde und ein anderes Mal der Anschlag am Tag vor der Innenministerkonferenz stattfand.

Der Bremer Innensenator muss über die "Splitterbombe" von Berlin reden, um die Gefahr des Linksextremismus ordentlich auszumalen - obwohl die Staatsanwaltschaft Berlin klargestellt hatte, eine "Splitterbombe" sei jedenfalls nicht das gewesen, was die Beamten verletzte.

Der Schwerpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes liegt also im Bereich "islamischer Extremismus". 2.150 Personen rechnet der Verfassungsschutz "islamistischen Gruppierungen" zu. Vor allem die alte Abu Bakr Moschee, die heute "Islamisches Kulturzentrum" (IKZ) heißt, sei ein Zentrum des aus Saudi Arabien finanzierten "Salafismus", in dem international bekannte Islamisten Vorträge hielten. Es sei ein immer wieder anzutreffendes Muster, so Hans-Joachim von Wachter, der Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, dass Terroristen über den Salafismus radikalisiert worden seien.

Zahlenmäßig ist die Gruppe um das IKZ aber gering - allein 2.000 der 2.150 "Islamisten" macht der Verfassungsschutz in den Milli Görüs-Gemeinden aus. Im letzten Jahr waren das noch 1.300 - die Anzahl sei nicht gewachsen, erklärte der Verfassungsschutz-Chef, aber die Sprecher von Milli Görüs hätten sich gemeldet und mitgeteilt, sie würden mit der Zahl 1.300 unterschätzt, es seien in Wahrheit 2.000 Gläubige.

Diese damalige Reaktion zeigt auch, dass die Milli Görüs-Gemeinden den Verfassungsschutzbericht nicht ernst nehmen. Konkrete Vorwürfe gegen die Bremer Gruppe von Milli Görüs (IGMG) enthält der Bericht nicht - nur allgemeine Informationen, die mit meist Jahre alten Zitaten belegt werden sollen. Es gebe eine "Modernisierungsströmung" innerhalb der IGMG, stellt der Bericht fest - es seien aber für Bremen "keine Anhaltspunkte dafür erkennbar".

In der Pressekonferenz relativierte der Verfassungsschutz-Chef das auf Nachfrage. Denn es gibt einen "Dialog" zwischen Verfassungsschutz, Polizei, Innensenator auf der einen und diesen muslimischen Gemeinden auf der anderen Seite. Dort sei deutlich geworden, dass sich die in Deutschland lebenden Muslime von Milli Görüs integrieren wollten. Im Verfassungsschutzbericht 2010, der in einem Jahr vorgestellt wird, könnte diese Erkenntnis zu einer Korrektur der Bewertung führen.

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