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Statement ist alles

■ Hinwendung zum Pop: Sterolab gastierten in der Markthalle

Irgendwann Mitte der 80er Jahre schrieb der New Musical Express mal über Paddy McAloon von Prefab Sprout: „Früher wurden frustrierte Musiker Musikjournalisten. Heute werden frustierte Musikjournalisten Musiker.“ Mittlerweile ist es speziell bei britischen Bands absolut gängig, dass der Referenzrahmen genauso wichtig ist wie die Musik, wenn nicht sogar wichtiger: Eine Band ist nur so gut wie ihre Plattensammlung und die Namen, die sie im Interview droppt.

Auch bei Stereolab ist alles Statement: Das beginnt bei Songtiteln wie „The Free Design“ (Bezug auf die gleichnamige Sixties-Vokal-gruppe), zeigt sich bei der Wahl der derzeit über die Maßen angesagten Chicago-Hipster Jim O'Rourke und John McEntire als Produzenten der neuen Platte und in der Wahl der in England hochgeschätzten Neo-Psychedeliker Gorky's Zygotic Mynci als Vorgruppe. In diesem Punkt muss man jedoch einwenden: voll daneben gegriffen. Ich war froh, dass ich so einen trüben Post-New-Wave-Mist glücklicherweise seit fünfzehn Jahren nicht mehr ertragen musste. Alles was in den 80er Jahren an britischen Bands doof war – hier erlebte es eine schaueröse Auferstehung.

Stereolab boten da schon einen deutlichen Kontrast. Wie köstlich professionell und selbstbewusst diese Band ist! Was für ein großartiger Schlagzeuger Andy Ramsay ist! So waren selbst Pink Floyd-artige längere Keyboard-Gniedel-Parts immer noch wunderbar groovig. Solche Eskapaden waren allerdings selten: Die Hinwendung zum Pop scheint jetzt komplett vollzogen, und wo doch nun gerade im Zeitalter der Post-Rock-Pest uns zunehmend Bands mit nichtendenwollenden Klangteppichen von Steve Reich bis Talk Talk kommen und es anscheinend herrschende Meinung ist, aus der Monotomie Kraft schöpfen zu wollen, waren die oft verblüffend kurz gehaltenen, wohlstrukturierten und durchkomponierten Miniaturen der sechs Stereolaborantinnen und -laboranten ein besonders willkommenes Statement. Detlef Diederichsen

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