Standortdebatte: Lauter offene Fragen
Bis zum Sommer soll Klarheit über die Zukunft des Museums Weserburg herrschen. Kulturstaatsrätin Emigholz (SPD) findet klare Positionen noch "verfrüht".
BREMEN taz | Noch immer ist nichts entschieden: Bleibt das Museum Weserburg, wo’s ist oder zieht’s vom Teerhof in einen Neubau in die Überseestadt? Und was wird dann aus den anderen Institutionen für zeitgenössische Kunst rund um die Weserhalbinsel? Das alles ist offen – sagen alle Beteiligten. Und auch Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) vermied am Dienstag jede Festlegung. Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) hatte zur Standortdebatte geladen – und die gesamte örtliche Kulturszene war gekommen, um mitzudebattieren.
Anlass dieser Diskussion ist die seit Längerem anstehende Neuordnung des strukturell unterfinanzierten Sammlermuseums, dessen Räume auf dem Teerhof sanierungsbedürftig sind. An Schärfe gewonnen hat der Konflikt, als im Herbst Entwürfe des Berliner Architekten Arno Brandlhuber in der Stadt kursierten – für ein Grundstück in der vorderen Überseestadt, direkt vor dem Wesertower, das der Firma Siedentopf gehört. Momentan werden beide Varianten geprüft, sowohl der Neubau, dessen erster Entwurf dem Vernehmen nach mindestens 13 Millionen Euro kosten soll, als auch die Sanierung des aktuellen Standortes, für die zunächst neun Millionen Euro veranschlagt wurden. Aus den umstrittenen Bildverkäufen kann die Weserburg selbst etwas mehr als sechs Millionen Euro bezahlen.
Für GAK-Direktorin Janneke de Vries ist der „Wegzug“ des Museums und eine „Vereinzelung“ der übrigen Institutionen für zeitgenössische Kunst in Bremen der „Worst Case“: Eine „Ballung“ derselben sei „immer erfolgreicher“, sagt sie – eine Position, die auch Georg Abegg vertritt, der Vorsitzende des Kunstvereins, dessen 8.500 Mitglieder die Kunsthalle tragen. Zwar ist de Vries nicht prinzipiell gegen einen Umzug der GAK – wenn „gleichbleibende Qualität“ gewährleistet sei: „Es kann nicht sein, dass jene, die ohne eigene Schuld in Not geraten sind, am Ende schlechter dastehen.“ Und eine „ernsthafte“ Alternative zum Teerhof sei derzeit „nicht in Sicht“, so de Vries.
Emigholz dagegen äußerte sich mehrmals zurückhaltend gegenüber einem möglichen Neubau, warnte vor einer Festlegung auf eine Position. Das sei derzeit „verfrüht“. Und: „Es ist über gar nichts das letzte Wort gesprochen worden.“ Und überhaupt, sagt Emigholz, sollten zunächst konzeptionelle – und dann erst räumliche Fragen erörtert werden. Zugleich wehrte sie sich gegen eine Personaldebatte um Weserburg-Direktor Carsten Ahrens. Der wiederum hielt sich in der Auseinandersetzung weiterhin zurück – und erntete Kritik dafür. Zugleich irritierte er mit Aussagen über die Zukunft des Studienzentrums für Künstlerpublikationen. Es gehört zur Weserburg, seine Sammlung mit über 80.000 Kunstwerken ist eine der weltweit größten und bedeutendsten ihrer Art.
Dessen Leiterin Anne Thurmann-Jajes sagte am Dienstag, das Studienzentrum sei „nicht in die Planungen der Weserburg involviert“ und werde im künftigen Museum auch „nicht dabei sein“. Vielmehr plane das Museum, die Finanzierung des Studienzentrums „einzustellen“. Bei Ahrens hört sich das anders an: Er will eine „neue Finanzierungslösung“ für das Studienzentrum finden, sagt er, eine, die nicht auf Kosten der Weserburg geht. Niemand habe bei dessen Ankauf 1999 an ausreichend Mittel für den Unterhalt dieses Museums im Museum gedacht, so Ahrens. Es sei „denkbar“, dass zwar die Ausstellungen des Studienzentrums weiterhin in der Weserburg stattfinden, dessen Archiv und Forschungsarbeit aber ausgelagert werden. Eine Position, der Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses, widerspricht: Das Studienzentrum könne nicht ohne die Weserburg existieren. Zugleich warnte er vor einem „Weserburg-Bashing“.
Kritische Töne, einen Neubau betreffend, kamen vom Architektur-Professor Eberhard Syring. „Die Kosten von Prestigebauten steigen schnell ins Unermessliche“, sagte er – und erinnerte an die Stadthalle. Er warb für eine „innovative Lösung“ auf dem Teerhof und warnte davor, diesen „kulturfrei“ zu machen. Im Übrigen sei es der Weserburg „bis heute nicht gelungen“, ein plausibles Konzept vorzulegen, das der dort gezeigten Kunst gerecht werde, sich aber auch „für das breite Publikum“ öffne.
Bis zum Sommer, sagt Emigholz, müsse jedenfalls Klarheit über die Zukunft der Weserburg herrschen – sonst sei der Zug in dieser Legislaturperiode abgefahren.
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