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■ StandbildKulturtragender Hefeteig-betr.: "Leporella"

„Leporella“, Sonntag, 23.05 Uhr, ARD

Ach ja, man könnte mal wieder schwerst Kritisches zum öffentlich-rechtlichen Eiertanz absondern. Da läßt der Bajuwarische Rundfunk einen Fernsehfilm produzieren, den man uns dann in Erstausstrahlung (!) sonntags zu nachtschlafener Zeit in die Stuben schickt. Während die ARD zur lukrativen Prime Time emsig versucht, es den immer wieder gern gescholtenen Kommerzsendern in puncto Dürftigkeit gleichzutun, leistet man sich um Mitternacht dann doch noch – fast verschämt – kulturtragendes Anspruchsfernsehen. Vielleicht war der unattraktive Sendeplatz aber auch nur dem schlichten Umstand geschuldet, daß ein Film von 75 Minuten nunmal nirgendwo mehr ins Programmschema paßt.

Wie auch immer, wer am Sonntag um 23 Uhr noch immer nicht von der Mai-Kundgebung zurück war, hat nicht viel verpaßt. Was Dagmar Damek hier aus der Stefan-Zweig-Erzählung um adeligen Ennui, Wollust, Tod und die tragische Liebe einer Dienerin zu ihrem Herrn Baron gestrickt hatte, war ein eher betuliches Kammerspiel und litt überdies an Komik der unfreiwilligen Art. Nun hat Hauptdarstellerin Jessica Kosmilla fraglos ein in jeder Hinsicht markantes Gesicht. Aber muß man sie deshalb gleich als dumpf begehrende Magd mit Glubschaugen umherschleichen lassen, als hätte man ihnen literweise Belladonna eingeträufelt? Wenn sie sich stumm im Schritt befingerte, die Kaffeemühle malträtierte oder den Hefeteig walkte, als sei's der Leib des Herrn, war das wahrscheinlich – wie heißt's so schön – „eindringlich“ gemeint. Allein geriet es unversehens zur Groteske. Fraglos gehört Mut dazu, die ewigen Klagerufe der Fernsehmimen zu erhören, indem man eine gestandene Vorabend-Mutti wie Gila von Weitershausen auch mal anders besetzt. Doch dann darf man ihr doch bitte schön nicht diese derart lächerliche Zwanziger-Jahre-Sturmhauben-Frisur verpassen, die das hehre Ansinnen zunichte macht, bevor die Dame auch nur einen einzigen Satz von sich gegeben hat. Allein Stadtindianer Max Tidof gab seinen adeligen Hallodri und Tunichtgut mit „Wiana Schmäh“ ohne Fehl und Tadel.

Soll man noch erwähnen, daß Boris' Babs auch mitgespielt hat? Sollte man eigentlich nicht. War eh nur eins von den leicht beschürzten Madeln, die mal kurz durchs Zimmer hupften und sich dann rasch was überzogen. Reinhard Lüke

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