■ Standbild: Die Pader sprudelt
„Einig in der Hoffnung – die Papstmesse“, Samstag, ARD, ab 9.30 Uhr
Das Papamobil bahnt sich seinen Weg über den Truppenübungsplatz der britischen Rheinarmee zum recyclebaren Hochaltar samt Instant-Sakristei. Der Papst kommt nach Paderborn, und die ARD ist live dabei. Gemächlich winkend passiert er die Masse der Jubelchristen, darunter die versammelten Schützenvereine in vollem Wichs. Mit Fähnchen und lila Halstüchern stehen 100.000 im Regen.
In der Moderatorenkabine ist es trocken, ebenso der Lagebericht des Kirchenredakteurs und seines Cokommentators, Pastor Hermann-Josef Burbach. In besinnlichem Ton erklären sie auch den Atheisten unter uns die Ikonographie der Kirche: „Die Buntheit des Geschehens ist ein wesentliches Merkmal“, derweil ein hysterisches Kind ins Außenmikro brüllt: „Ich hab' den Papst gesehen! Ich hab' den Papst gesehen!“ Ich auch. Und zwar geschlagene drei Stunden. Von der Nahaufnahme seines Siegelrings bis zum Zoom auf die bischöflichen Kappen war alles dabei, was ein Papstbesuch audiovisuell hergibt. Dankenswerter Weise wurde darauf verzichtet, den Papst bildlich zu überhöhen: Kein Triumph des Glaubens, eher besinnliches Abschwenken der Standartenträger. Demokratisch wechselte die Kamera zwischen Papstantlitz und einer Westerngitarre – dem Symbol für die „Kirche von unten“.
In den Gebetspausen reichte der WDR einen kleinen Filmbericht – ganz ohne ketzerische Untertöne: Paderborn als Kleinod der Nächstenliebe, nicht etwa als die wirtschaftlich höchst depressive Region, die nach der Nixdorfpleite eine der höchsten Arbeitslosenquoten der Republik hat. Die Pader sprudelt, überblendet von Bildern mit glücklichen Stahlarbeitern – in einer Fabrik, die in den letzten Jahren Tausende entlassen mußte.
Ansonsten gab es nicht allzuviel zu erzählen über diese tiefschwarze Region. Nur noch, daß der Ort der Openair-Messe „schon den kaiserlichen Truppen zur Vorbereitung auf die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs diente“. Da war den Kommentatoren wohl schon der Meßwein zu Kopf gestiegen. Einmal in Feiertagslaune deuteten sie das ehemalige Arbeitslager gleich noch zum beschaulichen Feriencamp um.
So ein TV-Gottesdienst ist schon eine anachronistische Sache, aber allemal eine Alternative zu den sonntäglichen Ritterfilmen. Dafür sorgten schon die Fanfarenstöße der theologischen Bigband und der Ringelpiez der Frauengruppe Bad Lippspringe. Schade eigentlich, daß der Papst nicht öfter kommt. Oliver Gehrs
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