■ Standbild: Fruchtzwerge
„Small Talk“, RTL, 20.15 Uhr
Immer wenn sie kleine Kinder im Fernsehen zeigen, geht so ein Seufzen durch die Wohnung. Wie süß das ist! Lars, Sonja, Maxi und sieben andere Zwerge sitzen in zehn kleinen Fernsehapparaten hoch über der Studiobühne. Von dort aus sollen sie Fragen der Tante Birgit Lechtermann auf Kinderart beantworten. Drei prominente Studiogäste sollen wetten, ob sie die Antworten zu den Tantenfragen beherrschen oder nicht.
So soll der Stephan z. B. sagen, wer die ersten Menschen waren, und Max Schautzer muß wetten, ob der Junge das mit seinen sechs oder sieben Jahren packt: „Der Stephan hat viel Phantasie, aber er weiß das“, mutmaßt Schautzer, und sein Stephan hat dann auch die Phantasie: „Joseph und Maria waren die ersten“, sagt er, und man will schon mit ihm jubeln. Aber diese Antwort ist falsch. Und so geht das in einem fort: Oliver soll erklären, was eine Mumie ist, und Sarah soll sagen, ob das in Ordnung geht mit dem Ins-Bett-Gehen um acht. Doch irgendwann fragt man sich, warum Frau Lechtermann so unberührt von all der Süße ist. Und warum reagieren die Kleinen in ihren Apparaten so wenig goldig (nämlich überhaupt nicht), wenn sie angesprochen werden?
Das sind dann so Fragen, die man selbst beantworten muß. Denn die Kleinen sitzen nicht live im Studio hinter den Fernsehrahmen. Ihre Antworten sind aufgezeichnet. Die Kunst der Moderation von Frau Lechtermann besteht nur darin, die richtigen Fragen zum passenden Kidsclip zu stellen – und dabei so zu tun, als sei alles so spontan wie im echten Fernsehen. Man muß sich also nicht grämen, wenn die eigenen Kinder nicht so süß sind wie diese Small Talker. Denn die sogenannte „spontane Unschuld“ wird hier mit einem doppelten Bildschirm abgerahmt, bis von ihr nichts weiter übrig bleibt als ein Dingsda. Das Kindliche wird redaktionell herausgefiltert. Das verleiht den süßen Kleinen einen cremigen Charme von Früchtezwergen. Irgendwas an ihnen ist steril, dehydriert und nur scheinbar milchsäuregesättigt. Marcus Hertneck
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