piwik no script img

■ StandbildCharme statt Spannung

„Tatort – Alptraum“, So., 20.15 Uhr, ARD

Waren das noch die Nerven oder schon der dazugehörende Zusammenbruch? Da hockt ihr der Mörder schwitzend im Nacken und fuchtelt mit dem todbringenden Elektrostab herum, und die Kommissarin Lea Sommer (Hannelore Elsner) murmelt provozierende Kinderreime, um den Mann in Schach zu halten. Weiß sie doch, daß der schon in frühester Kindheit zum Frauenhasser wurde, weil sich die schauspielernde Mutti lieber um eine Kollegin kümmerte als um den vernachlässigten Filius. Der mäandert Jahrzehnte später immer noch schwer gedemütigt durch den Plot, um diverse Frauen stellvertretend niederzumetzeln.

Ohne Psychopathen geht im deutschen Krimi gar nichts mehr. Doch während in „Derrick“ der Ermittelnde diesen Part mitübernimmt, durften sich im „Tatort“ gleich drei Herren darum balgen: der Psychologe mit dem Hang zur Autotherapie, der Regisseur, dem der Tod der verhaßten Intendantin nicht ungelegen kam, und der Staatsanwalt, der sich auf seiner Karriereleiter unversehens von einer Frau abgehängt sah. So sorgfältig wurden die Verdachtsmomente gestreut, daß es am Ende jeder hätte sein können, oder auch nicht.

Normalerweise ist dieses dramaturgische Verfahren nach dem Motto „der Mörder ist immer der, an den bestimmt kein Zuschauer denkt“ ein zwingender Grund, abzuschalten. Daß es diesmal anders war, lag nicht etwa an zusätzlichen Spannungselementen, sondern einzig und allein an Hannelore Elsner, die der Kommissarin scheinbar ohne großen Aufwand soviel Kontur verlieh, daß man ihr noch stundenlang beim Ermitteln hätte zusehen können. Ob sie sich nun von den Verdächtigen anflirten ließ, im Restaurant das Handy aus der Tasche zog, ihre Assistenten resolut, aber höflich herumkommandierte oder einfach nur die Pumps nach getaner Arbeit in den Flur schleuderte – das alles hatte eine gewisse Unangestrengtheit, die ihren meisten „Tatort“-Kollegen völlig abgeht. Deren Marotten werden gemeinhin so lange strapaziert, bis die Aura platt am Boden liegt.

Daß letztendlich zwei der drei Frauenleichen auf das Konto eines weiteren Mannes gingen und der Peiniger der Kommissarin nur ein Trittbrettfahrer war – nun ja. Man kann nicht alles haben. Und eine Hannelore Elsner als neue „Tatort“-Kommissarin ist schon sehr viel. Oliver Gehrs

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen