■ Standbild: O Herr, vergib!
„Die heilige Hure“, Mi. 20.15 Uhr, RTL
Rums, da sauste der schwule Priesteramtsanwärter Ulli von der Orgelbühne, auf die ihn die Gewissensnot getrieben, Frau Dr. theol. glatt vor die Füße. Was er besser hätte lassen sollen. Dann wär' uns zwar seine Auferstehung als sprechender Geist im Duschkopf entgangen, aber auch allerhand erspart geblieben. Denn nach des Studenten Tod gab sich auch Dozentin Marie Schneider schuldbeladen, stieg zum potenten Restaurator in die Krypta nieder und öffnete alsbald ihr Mieder. Schließlich hatte dieser seine festen Grundsätze: „Die Brust muß freigelegt werden! Alles andere wäre Fälschung.“ Genau. Und so ging's fortan unverfälscht zur Sache.
Mamma mia, für diesen Schmonzens hatte man bei RTL derart lange mit sich gerungen, die Ausstrahlung mehrfach (zuletzt am Buß- und Bettag) verschoben?! Aus Pietätsgründen, versteht sich. Nicht etwa, weil man irgendwelche Zweifel hinsichtlich der Qualität gehabt hätte. Doch was Regisseur Dominique E. Othenin-Girard (klingt nach Pseudonym, er soll aber wirklich so heißen) hier frei nach der Autobiographie von Heide- Marie Emmermann (Theologin, Domina, Talkshow-Gast) zusammenrührte, vermochte vielleicht ein paar katholische Landfrauen in Wallung zu versetzen, sonst aber allenfalls das Zwerchfell.
Das ging bei der Ausstattung los (die sündige Meile sah aus wie das Rotlichtviertel von Rothenburg o.d. Tauber), setzte sich über die Beleuchtung fort (hier honiggelbes Chorgestühl, da neonblauer Folterkeller) und endete noch längst nicht bei den sagenhaften Dialogen. Was die Akteure da selbst inmitten der wüstesten Rammelei so an theologischen Erörterungen absonderten, mag Frau Emmermann in vergleichbaren Situationen durch die Rübe gerauscht sein, gerann aber hier zum Festival der unfreiwilligen Hochkomik. Und als Hauptdarstellerin Susanna Simon in Domina-Montur böse guckte, kam das ungefähr so überzeugend wie die peitschenschwingende Dame in einem dieser Phone-Sex-Spots nach Mitternacht.
Selten hat man die letzten Worte eines Films so herbeigesehnt: „Gott ist Liebe. Er wird uns erlösen.“ Bis dahin bewahr uns, bitte schön, vor furchtbaren Theologinnen im Cabrio mit Paderborner Kennzeichen, und vergib auch diesen Fernsehmachern. Denn manchmal wissen sie offenbar wirklich nicht, was sie tun. Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen