■ Standbild: Eilfertig hinterhergewackelt
„Wettlauf mit dem Tod – Das Geiseldrama von Gladbeck“, Mi., 20.15 Uhr, RTL
Hm. So also sieht die aufwendig angekündigte „Premiere eines neuen Genres bei RTL: Das Doku-Drama“ aus – Spielszenen wie bei „Aktenzeichen XY“, Interviews wie bei „Explosiv“ mit Augenzeugenbekenntnissen wie in der Daily-Talkshow und ausnahmslos drittklassiges RTL-Archivmaterial aus dem Jahre 1988, als beim deutschen Privat-TV nicht nur das Dokudrama noch in den Kinderschuhen steckte. Auf die Authentizitätskamelle „,Tagesschau‘-Berichterstattung“ wurde verzichtet. Wenn's statt dessen aber ein Wiedersehen mit Hans Meiser als RTL- Nachrichtensprecher gab, wirkte dieser Kunstgriff dann doch recht drollig.
Der „Wettlauf mit dem Tod“ muß ein Wettlauf gegen die Zeit gewesen sein: 10 Jahre hatte RTL Zeit, um den Film über die Geiselnahme von Gladbeck zusammenzubasteln. Dennoch wurde das gute Stück erst Stunden vor der Ausstrahlung fertig – und so sah es auch aus: Die Informationen? Derart zusammengestoppelt, daß die Dialektik des Geschehens sich in Wohlgefallen auflöste. Die Polizei? Ein Bürokratenhaufen kompetenzgeiler Deppen. Die Geiselnehmer Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner? Zwei von ganz unten. Und die Medien, die ja eine nicht gerade zu vernachlässigende Rolle in der traurigen Posse zu spielen wußten? Zu vernachlässigen. Das mag dann selbst den Gladbeck-Laien verblüfft haben.
Ohne Zweifel war „Geiseldrama Gladbeck“ keine leichte Aufgabenstellung (und das nicht nur, weil Heinrich Breloers „Todesspiel“ dem Zuschauer noch in bleibender Erinnerung sein dürfte). Denn überall dort, wo die Geiselnehmer anno 88 gerade mal zufällig unter sich waren, ist die Gladbeck-Geschichte irrelevant; und überall dort, wo sie die Öffentlichkeit gesucht hatten, ist sie bekannt – und gut dokumentiert. Erst aufwendige Recherchen und Meinungsstärke hätten dem Stoff noch Neues abgewinnen können. Der 28jährige Autor und Regisseur Geronimo Beckers aber hat daraus einen mäßigen Krimi gemacht. Fleißig mischte das „vielversprechende Nachwuchstalent aus der eigenen Schmiede“ (RTL) Dokumentarmaterial, Spielszenen mit Interviewfitzelchen und ließ die Handkamera den Schauspielern eilfertig hinterherwackeln.
So also stellt sich RTL das neue Genre Dokudrama vor. Hm. Christoph Schultheis
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