■ Standbild: Ein anachronistischer Hecht
„Fata Morgana. Die wüste Orient-Show“, Sa., 20.15 Uhr, RTL
Manchmal schweift Hugo- Egon Balders Blick ins Leere. Die perlweißen Zähne hat er professionell gebleckt, die Vornamen der Kandidaten gerade noch aus dem Kurzzeitgedächtnis gekramt und erklärt, wo die Torten hingeworfen werden müssen. Dann sollte die Regie eigentlich umschalten, auf die Gogo-Girls vielleicht. Aber das Bild verharrt, kurz und verräterisch, auf Hugo-Egon Balders Gesicht. In solchen vermeintlich unbeobachteten Momenten ist in seinen Augen die ganze Ödnis der Wüste Gobi zu erahnen.
Balder hat schon viel gesehen: „Tutti-Frutti“-Stripperinnen, Hella von Sinnen bei „Alles Nichts Oder“ und im Spiegel-Interview die „Krise der deutschen Comedy“. Die hat er als Produzent von „RTL Samstag Nacht“ maßgeblich mitgestaltet. Trotzdem, scheint es, kann er sich noch wundern: Die Leute schunkeln, wenn ein bedauernswerter Werner aus dem Publikum mit schwacher Stimme einen Schlager singt. Sie johlen, wenn die blonde Uschi erzählt, daß sie momentan solo, also zu haben, ist. Sie finden es lustig, wenn er willkürlich Punkte vergibt, damit seine Lieblingskandidatin nach Monaco fahren darf, während er eine andere statt zur versprochenen Oscar-Verleihung zur Übergabe einer Pornodarsteller-Trophäe nach Berlin schickt. Dabei hat sie so schön einen Orgasmus simuliert, und Balder hat so tolle Witze dazu gerissen: „Soll ich schon mal einen Arzt holen?“ Ja, er ist schon ein toller Hecht – nur eben ein wenig anachronistisch.
Balders Konzept der Fernsehunterhaltung stammt aus den Anfangsjahren des Privatfernsehens. Damals genügte es noch, ein angeheitertes Publikum mit flachen Spielchen zu verarschen, um sich von den langweiligen Öffentlich-Rechtlichen zu unterscheiden. Er hat damit sogar einen Trend gestaltet: Trash-TV auf deutsch. Das heißt Müllfernsehen, ARD und ZDF machen es auch schon, und zum Glück ist es total out. Damit die „wüste Orientshow“ wenigstens ein bißchen modern daherkommt, haben die RTL-Techniker bunte Computeranimationen eingearbeitet, Manifestationen eines „Flaschengeistes“, der als Co- Moderator jederzeit zugeschaltet werden kann und so lästige Gespräche mit Gästen unterbricht. Im Dialog mit dem Geist wendet sich Balder nach oben und zitiert müde Gags aus dem Drehbuch. Sein Blick, schon wieder, ins Leere. Stefan Kuzmany
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