■ Standbild: Traurig dran vorbei
„Tatort: Nie wieder Oper“, So., 20.15 Uhr, ARD
Die Oper sucht das Ästhetische in der Tragödie. Und der Naturalismus sucht die Realität dort, wo sie am extremsten ist. Wenn also die Leut' in einem Altenheim für ausrangierte Sopranistinnen und Baritone plötzlich plötzlicher sterben und außer einem Strychnin-Fläschchen auch Misogynie, Leidenschaft und Inzest tatbeteiligt sind, dann hätte das eine prima Oper werden können. Oder ein naturalistisches Stück über die Profanität des Alterns. Der ORF-„Tatort“ hat daraus einen Whodunnit- Krimi gemacht, mit „echten“ Kammersängerinnen wie Marta Eggert-Kipura und Gerda Scheyrer, die vielleicht keiner mehr kennt, deren Gesichter und Spiel aber dennoch so authentisch (und ja: anrührend) rüberkamen, als stünde das Leid tatsächlich in ihrer Vita. Einerseits.
Andererseits ermittelte der neue Österreichkommissar, starring Ex-„Bergdoktor“ Harald Krassnitzer. Den hatte die ARD am Freitag noch schnell nach Bremen zu „III nach 9“ geschickt, damit er erzähle, wie er auch schon mal einen Vater gespielt habe, der seinen Sohn sexuell mißbrauchte, und sich von seinem Sat.1-Seniorenserienimage reinwäscht. Und tatsächlich kann Krassnitzer „richtig-wütend“ spielen, kann „traurig-an-der-Kamera-vorbeischauen“ und „wir- glauben-goarnix-(wir-machen-nur-unsere-Arbeit)“ sagen, als hätte man den Satz noch nie gehört.
Doch was nutzt es, wenn sich der professionelle Tätersucher (wie ein Mensch) im Büro die Nasenhaare schneidet, statt (wie der Zuschauer) eins und eins zusammenzuzählen – und aus „Nie wieder Oper“ mit kleinen Retuschen am Drehbuch (Internat statt Altenheim?) und ein bißchen mehr Action ebensogut eine Folge „Balko“ oder „Wolffs Revier“ hätte werden können? Christoph Schultheis
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen