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StandbildSex auf der Baustelle

„Stunde des Wolfs“, Mi., 20.15 Uhr, ARD

Die Tragödie entrollt sich im angeblich hippsten Viertel Berlins: auf der Baustelle Potsdamer Platz. Dort haust der Kranführer Hans (Richy Müller) in einem Wohncontainer, wo er nebenbei noch als Bewährungshelfer ein Auge auf seinen Bruder Florian (Marek Harloff) hat.

Als Hans dem Charme der unwirklich schönen Georgierin Ketuta erliegt (Lea Mornar), beginnen die Probleme: Zum einen, weil Ketutas Vater kaukasisch brachial die Ehre seiner Tochter verteidigt. Zum anderen, weil Hans schon verheiratet ist und Ehefrau Gisela (Corinna Harfouch) ihm die horrenden Schulden offenbart, die das eheliche Glück im Winkel bedrohen. – Und dass sie ihn auch betrogen hat, mit seinem kleinen Bruder, jawoll. Hans’ Welt gerät immer mehr aus den Fugen – und das, obwohl er eine ehrliche Haut ist. Haut gab’s daher auch ständig zu sehen, schwitzende, zerkratzte, tätowierte Haut.

Dabei hätte alleine ein beiläufiger Blick von Ketuta genügt, Hans’ hormonelle Verwirrung plausibel zu machen. Statt dessen zeigt Regisseurin Hermine Huntgeburth das Paar fortwährend bei der Verrichtung rhythmischer Sportgymnastik. Wer schon immer mal beim mehrfachen Orgasmus zuschauen wollte – hier kam er auf seine Kosten. Und zwar so ausdauernd, dass auch dem letzten Onanisten der Sinn der Übung einleuchten musste: Leidenschaft, nicht Liebe. Lust, die zur Last wird, okay. Aber wie geht’s weiter? Ketuta schläft mit Florian. Dann schläft Ketuta wieder mit Hans. Mit Gisela schläft der nicht mehr. Dafür aber eben mit Ketuta, wenn die nicht gerade mit Florian schläft. Und das, obwohl wir es durchweg mit echten Schauspielern zu tun haben, die den diversen seelischen Nöten ein überzeugendes Gesicht geben. Weil aber Lea Mornar in erster Linie der Versuchung einen Körper gibt, teilte der Film das Schicksal seines Helden und verfiel einem ausgesucht voyeuristischen Blick. Die Auflösung, die Vollendung der Tragödie fand im toten Winkel statt, wo sie niemanden mehr wirklich interessierte. Arno Frank

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