piwik no script img

Stadtumbau in Berlins MitteGeklotzt, nicht gekleckert

An der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden eröffnet heute die "Upper Eastside". Der massive Bau schließt die letzte Lücke am Boulevard. Drinnen finden sich die Filialen der üblichen Verdächtigen.

Gut getarnt im Meer der Gleichförmigkeit: Der neue Häuserblock an der Kreuzung Unter den Linden, Friedrichstraße Bild: Meag

Douglas, Zara, Marc OPolo, Esprit, gleich im Anschluss Dussmann - aber wo ist nur die Friedrichstraße geblieben? Wer nicht ständig durch Mitte fährt, könnte beim nächsten Besuch dort verwirrt werden: Mit der Eröffnung der "Upper Eastside Berlin" steht der letzte Bauklotz an der Friedrichstraße.

An der nordöstlichen Ecke der Kreuzung mit dem Boulevard Unter den Linden fand der Flaneur einst einen freier Platz vor dem ehemaligen Hotel Unter den Linden. Jetzt ist er mit einem achtgeschossigen Wuchtbau konfrontiert, der die orientierunggebende Lücke perfekt ausfüllt. Vom Bahnhof Friedrichstraße zieht sich nun die Straßenflucht gleichförmig gen Süden noch über die Leipziger Straße hinaus. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher findet dafür am Tag vor der heutigen Eröffnung lobende Worte: Die "kritische Rekonstruktion" sei vollendet.

Doch der Straßenraum wirkt eng, so wie Kritiker der Upper Eastside stets befürchtet hatten. "Architektonisch ist es besser als der gegenüber liegende Autosalon, aber städtebaulich hadere ich immer noch damit", sagt Thomas Flierl, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linken. Der Verlust des öffentlichen Raums an der wichtigsten Kreuzung Berlins sei bedauerlich.

In die privatisierten Räume im Erdgeschoss sollen zunächst die vier oben genannten Geschäfte Kunden locken, in den nächsten Monaten kommen der Telekommunikationsanbieter O2 und Daimler hinzu. Nach oben schließen sich Büros und Luxuswohnungen an. Im Grunde genommen sind es fünf Häuser in einem, von mehreren Architekten gebaut. Das Büro Gerkan, Marg und Partner koordinierte.

Gebaut wurde in Travertin-Kalkstein, den eine Delegation eigens im italienischen Tivoli aussuchte. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 200 Millionen Euro. "Immerhin geht es um das Flair der allerersten Adresse der Stadt", erklärt Hubert Garzorz vom Immobilienentwickler MEAG. Die Mieten seien entsprechend, bekennt er. Dass damit ein Quadratmeterpreis ab 20 Euro aufwärts für Büros gemeint sei, will er weder bestätigen noch dementieren. Das Unternehmen scheint völlig überzeugt vom Standort. Der Finanzkrise und dem in Berlin überdurchschnittlichen Leerstand zum Trotz begann es mit dem Bau, ohne eine Fläche vorvermietet zu haben. Derzeit liefen Verhandlungen mit Interessenten, sagt Garzorz. Büros und die bis zu 350 Quadratmeter großen Apartments sollen nächstes Jahr fertig sein.

Der Platz hat Geschichte: Zu DDR-Zeiten sollte es groß und staatstragend sein, die Fläche war frei. Nur am östlichen Rand entstand das Hotel Unter den Linden. Der Freiraum davor wurde auch nach der Wende zunächst verschont, während die anderen Lücken an der Friedrichstraße nach und nach geschlossen wurden. Der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann indes träumte von den alten Straßenfluchten und der typisch Berliner Blockrandbebauung. Entlang der zentralen einstigen Prachtmeile ist seitdem "kritisch rekonstruiert" worden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte schließlich bei den Koalitionsverhandlungen mit der PDS den Gebäudekomplex Ecke Unter den Linden durchgesetzt: Der Protest der damaligen Stadtbaurätin von den Grünen verhallte.

Dass die fünf Häuser nun ähnlich beliebig wirken wie die anderen Klötze - kein Wort dazu von Bezirksbaustadtrat Ephraim Gothe (SPD) oder Regula Lüscher. Kein Kommentar von politischer Seite auch zum Namen. Die Begriffsfindung sei schwierig gewesen und habe sich über Monate hingezogen, sagt Garzorz von der MEAG auf die Frage, warum es ein englischsprachiger Name sein musste. "Wir haben versucht, unterschiedliche Bedeutungen unterzubringen."

Welche, bleibt offen. Der Bau hat weder mit New York noch mit dem tiefen Osten etwas zu tun. "Und den Touristen vom Brandenburger Tor müssen Sie erst einmal erklären, dass das hier nicht die Mauer ist. Die denken doch an East Side Gallery", sagt ein Besucher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!