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Stadtplanug gegen TerrorBritannien wird bombensicher

Während London Unsummen zur Panzerung öffentlicher Gebäude bereitstellt, scheint Deutschland dem Terror ausgeliefert. Worüber unser englischer Autor sich sehr wundert.

Bombensichere Tristesse: britische Botschaft in Berlin. Bild: dpa

Unter den Linden ist wie ein gigantischer Kanal, der Ost und West verbindet und an dem Touristen und Verkehr frei hoch- und runterströmen - ein Symbol der Einheit in dieser einst geteilten Stadt. Doch gibt es an dieser Hauptverkehrsader zwei Blockaden: die Wilhelmstraße, die die britische Botschaft beherbergt, und die Neustädtische Kirchstraße, wo sich die US-Botschaft befindet. Beide Institutionen sind streng bewacht und permanent von der Außenwelt abgeschirmt - zwei Einzelfälle in der deutschen Hauptstadt, was die Sicherheitsvorkehrungen betrifft.

Eine Frau führt Touristen durch das seltsam leere Innere der stark überwachten britischen Botschaft. "Sie war einst als ein Exempel für britische Kultur konzipiert", sagt sie. "Doch seit dem 11. September hat sich hier was verändert." Rund um die Uhr sorgen bewaffnete Wächter für die Sicherheit der Einrichtung. Das mag übertrieben scheinen. Aber Englands Ministerpräsident Gordon Brown hat betont, dass eine solche Sicherheitshochburg wie die britische Botschaft in Berlin Standard für alle öffentlichen Gebäude in England werden soll.

Browns neue "Nationale Sicherheitsstrategie" beinhaltet, einen Stab von bis zu 160 spezialisierten Designern einzusetzen, die die Bauwirtschaft darüber beraten soll, wie man aus Bahnhöfen, Kinos, Bibliotheken und sogar Andachtsorten "bombensichere" Gebäude macht.

In Berlin, wo neben dem symbolträchtigen Brandenburger Tor eine neue US-Botschaft errichtet wird, geben sich die Deutschen entschieden lockerer. Vera Moosmayer, Sprecherin des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, erläutert, dass ihr Ministerium generell nur zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für Gebäude in besonders risikoreichen Gebieten vorsehe. "Ein Botschaftsgebäude in Teheran erfordert natürlich höhere Sicherheitsstandards als ein Museum in München", sagt sie: "Unser Ministerium plant keine Modifikation der deutschen Bauordnung." Auch sieht sie keine "Notwendigkeit, die erfolgreichen Verfahren des Ministeriums zu ändern."

In Deutschland, meint Moosmayer, sei es das Hauptanliegen im Planungs- und Konstruktionsprozess, die Herzen potenzieller Terroristen zu gewinnen - und ansonsten Gebäude zu bauen, wo Menschen leben und arbeiten wollen. "Unser Ministerium hat viele Programme und Projekte, um den sozialen Zusammenhalt in unseren Städten zu sichern und zu verbessern. Wir arbeiten eng mit den Bundesländern zusammen und unterstützen zusätzlich zum Beispiel Projekte, die den sozialen Zusammenhalt und die Integration verbessern."

Doch selbst in Deutschland gibt es einige Experten, die glauben, das Land sei weit stärker von Terroristen bedroht, als die Regierung zugeben wolle. Ein amerikanischer Sicherheitsexperte hält die Haltung vieler Deutscher für zu naiv: "Die deutsche Wahrnehmung einer Gefahr ist deutlich anders als die englische und amerikanische: Die Deutschen tendieren dazu, sich zurückzuhalten in der Hoffnung: Wenn sie nichts unternehmen, werden sie nicht Ziel terroristischer Angriffe. Wir wissen aber, dass dies nicht wahr ist."

In der britischen Regierung gibt es ganz klar andere Prioritäten. Und es scheint, als habe der Krieg gegen den Terrorismus in Großbritannien tiefere Wurzeln. Browns ambitiöse landesweite "bombensichere" Kampagne wurde während einer Parlamentsrede Mitte November publik. Sie folgt einer Studie des Ministers für Sicherheit, Lord Alan West, die untersuchte, wie anfällig stark frequentierte Orte für Anschläge sind. Brown meinte hierzu: "Der Report drängt uns, robuste Absperrungen zu installieren und Gebäude explosionssicher zu machen. Unternehmen, die für solch übervolle Orte verantwortlich sind, werden nun detaillierte Ratschläge bekommen, wie sie ihre Widerstandsfähigkeit gegen Anschläge verbessern können. Kommunale Behörden sind gefordert, die Maßnahmen neu zu bewerten, die sie zum Schutz gegen Terrorismus getroffen haben."

Laut dem britischen Innenministerium wird der Report des Sicherheitsministers nicht veröffentlicht, weil dies "unsere Sicherheit gefährden könnte" und weil "wir Terroristen keine Steilvorlage geben wollen". Durchgesickert ist aber, dass darin vor allem neue Konstruktionsmaterialien vorgeschlagen werden.

"Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir Gebäude und Plätze konstruieren können, um das Risiko von Terroranschlägen zu reduzieren", erklärte ein kurz angebundener Toby Nation, Sprecher des Innenministeriums, auf Anfrage der taz.

Maarten Hajer, Professor für Öffentliche Ordnung an der Universität von Amsterdam, hegt Bedenken gegenüber den Plänen der britischen Regierung: "Man kann keine Gesellschaft bombensicher machen - so einfach ist das." Es sei unmöglich, eine relativ schwache Infrastruktur gegen Anschläge immun zu machen, argumentiert Hajer: "Wenn man bedenkt, wie eine Gesellschaft konstruiert ist, mit all ihren Kommunikations- und Transportstrukturen, dann ist es relativ einfach, sie zu attackieren. Es gibt keine Möglichkeit, sie komplett abzusichern - das würde die Besonderheit unserer offenen Gesellschaften beeinträchtigen. Städte sind ein öffentlicher Raum, der entweder sozial existenzfähig oder eben bombensicher ist. Ist er bombensicher, handelt es sich nicht länger um eine offene Gesellschaft." Hajer favorisiert eine Bauplanung, die bürgerliches Engagement ermutigt und Diversität erlaubt - anstatt allein einem rein sicherheitsorientierten Druck nachzugeben.

Die Umsetzung neuer Bauordnungen im Zusammenhang mit der "Nationalen Sicherheitsstrategie" wird ein komplexe Aufgabe sein. Viele moderne Gebäude, wie etwa Norman Fosters Verwaltungsgebäude des Schweizer Versicherungskonzerns Swiss Re in London, sind großflächig verglast, was eine beträchtliche Gefahr während einer Bombardierung darstellen könnte. "Die tödliche Kraft unter Spannung stehenden Glases darf man nicht unterschätzen", weiß Sandra Bell, Wissenschaftlerin am Royal United Services Institute und Expertin auf dem Gebiet unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen. Wenn eine Bombe in der Nähe eines Gebäudes explodiere, könne dies eine Vielzahl fataler Folgen haben, meint Bell: "Die Gefahr für Menschen ist erstens ein Zerreißen der Lungen. Zweitens Verletzungen durch Trümmer und drittens können Menschen vom Druck der Bombe erfasst und gegen etwas geschleudert werden."

Bell sagt, dass durch Anbringung spezieller Platten an Gebäuden bestimmte Geräusch- und Druckwellen herausgefiltert werden können: "Ein Gebäude muss nicht unbedingt groß, dick, schwer und unterirdisch sein. Es sollte vor allem ein gutes Fundament haben. Im Fall einer Bombenattacke kann die Fassade des Gebäudes danach einfach wieder angebracht werden."

Jurek Tolloczko, Ingenieur des Stahlunternehmens Corus, hat vor kurzem den druckwellensicheren "Bi-Steel" konzipiert. Das sind mit Zement gefüllte Stahlplatten, die im Herzen des Gebäudes oder nahe der Umfassungsmauern installiert werden. "Platische Materialien geben nach und reduzieren so die Energie der Druckwelle", erläutert Tolloczko. Von dieser Erfindung konnte das Unternehmen, dessen Bi-Steel-Poller von der britischen Regierung nun im großen Stil eingekauft werden, bereits profiteren: Die Poller blockieren heute schon die Eingänge und Straßen des Abgeordnetenhauses und des Flughafens Stansted - und gehen ins Geld.

Bis spätestens 2011 will die Regierung Brown ihre Ausgaben um 1 Milliarde auf umgerechnet 4,7 Milliarden Euro erhöhen.

Architekturexperte Jans Willem Peterson fürchtet, dass nicht nur auf finanzieller Ebene zusätzliche Kosten entstehen: "Alle Londoner teilen die öffenlichen Plätze der Stadt. Diese fallen in immer höherem Maße signifikanten architektonischen Veränderungen anheim, die dazu dienen, die Gefahr terroristischer Attacken abzuwenden oder zu minimieren. Der Nutzen mag dem Schutz der Bürger dienen; aber der Effekt vieler derartiger Innovationen ist es, die Freiheit der Londoner zu überwachen und zu kontrollieren."

Am Ende der Führung durch die britische Botschaft verteilt die Tourleiterin kleine Abzeichen, auf denen die Flaggen Großbritanniens und Deutschlands symbolisch überkreuzt sind. Beim Verlassen des Gebäudes müssen die Besucher Drehkreuze und Durchleuchtungsgeräte passieren, die diesen kleinen Flecken britischen Territoriums sichern. Die Tourleiterin reagiert müde, wenn sie gefragt wird, warum nur die britische und die amerikanische Botschaft so stark bewacht sind: "Das mag etwas mit dem Irak zu tun haben", sagt sie sarkastisch.

Zurück auf den Straßens Berlin fühlt sich das Leben wieder normal an. Die U-Bahn-Station Kochstraße ist sauber - hier gibt es sogar Abfalleimer, anders als in London, wo sie entfernt wurden, weil man befürchtete, dass dort Bomben platziert werden könnten. In der Berliner U-Bahn laufen auch keine Ansagen in Endlosschleife, die davor warnen, Gepäck nicht unbeaufsichtigt zu lassen.

England "bombensicher" zu machen, das mag wie der irre Traum eines verrückten Professors klingen. Aber Terrorismus - und die Angst, die er hervorruft - scheint für einige Politiker eine willkommene Gelegenheit zu sein, uns auf ein zunehmend bizarres und bislang unbekanntes Terrain zu entführen.

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1 Kommentar

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    Frank Ritz

    Im Artikel fehlt der Hinweis, wo die Anschläge stattfinden, die man verhindern will - im öffentlichen Personenverkehr und nicht in Gebäuden. Die gezeigten Sicherheitsmaßnahmen sind gegen die vergangenen Anschläge nutzlos. Offensichtlich geht es hier nur um die Erzeugung einer "Bunkermentalität" und die Rechtfertigung immer repressiver Maßnahmen. Leider hat die TAZ dies mit diesem Artikel unterstützt