StadtgesprächFabian Kretschmer aus Seoul: Trump-Kim-Gipfel enttäuscht US-Experten, aber begeistert die Südkoreaner
Als Kim Jong Un und Donald Trump am Dienstagmorgen in Singapur zum ersten Handschlag ansetzten, flimmerten die Fernsehbilder in alle Welt. Korrespondenten analysierten jede Geste der Staatschefs, Nordkorea-Experten klopften die anschließende Absichtserklärung auf zählbare Resultate ab. Als wäre Geopolitik einfach ein Spiel mit klaren Verlierern und Gewinnern, stand das Ergebnis bald fest: Trump habe sich über den Tisch ziehen lassen, das historische Gipfeltreffen sei eine Enttäuschung.
Die Südkoreaner, das wurde bereits in jenen Morgenstunden deutlich, kamen zu einem anderen Ergebnis. Im wohl bestvernetzten Land mit der höchsten Internetgeschwindigkeit der Welt lohnt ein Blick auf die sozialen Medien: „Frieden auf der koreanischen Halbinsel ist kein Traum mehr, sondern könnte schon bald Realität werden“, schriebt ein User auf Twitter. Ein anderer meint: „68 Jahre nach dem Ausbruch des Koreakriegs kommt es endlich zum USA-Nordkorea-Gipfel. Mein Wunsch ist es, dass wir die Vergangenheit hinter uns lassen und auf eine friedliche Zukunft blicken.“
Ein Blick auf die Daten: Laut einer in der linksgerichteten Tageszeitung Kyunghyang Shinmun publizierten Umfrage gaben 66 Prozent aller Südkoreaner an, die Resultate des Gipfels positiv zu sehen. Immerhin 50 Prozent waren überzeugt davon, dass sich Kim an sein Versprechen zur Denuklearisierung halten würde. Das wohl Erstaunlichste ist: Unter Südkoreas Linker, die für ihren Antiamerikanismus berüchtigt ist, erfreut sich US-Präsident Trump einer beachtlichen Beliebtheit.
Das absolute Gros der US-amerikanischen Nordkorea-Experten machten ebenjenen Trump für angeblich desaströse Verhandlungen verantwortlich. Unter anderem kritisierten sie, dass ihr Präsident vor Kameras den Generalstabschef der nordkoreanischen Streitkräfte mit einem militärischen Salut begrüßt hatte. Dabei ist es wesentlich erstaunlicher, dass der General zurücksalutiert hat und dies am Folgetag im nordkoreanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde – immerhin handelt es sich nach nordkoreanischer Propaganda um das imperialistische Feindbild persönlich. Eine Kommentatorin des US-Nachrichtensenders MSNBC mahnte gar an, Trump hätte eine 70-jährige Tradition der USA gebrochen, nicht mit Diktatoren zu verhandeln. Dass Südkorea selbst jahrzehntelang eine Militärdiktatur war – gestützt durch Washington –, scheint ihr offenbar entgangen zu sein.
Um die Diskrepanz der Reaktionen aufzudröseln, sollte man mit Moon Chung In sprechen: Der 67-Jährige gilt als einer der Architekten der Sonnenscheinpolitik zwischen den zwei Koreas nach der Jahrtausendwende, derzeit fungiert er als Sonderberater des Präsidenten. Im April während des innerkoreanischen Gipfeltreffens traf er auch auf Kim Jong Un.
„In den Medien wird er als impulsiv, irrational oder verrückt porträtiert. Mein persönlicher Eindruck war das genaue Gegenteil“, sagt der linke Politiker im Seouler Korrespondentenclub. Vor allem aber glaubt er, dass Kim tatsächlich gewillt ist abzurüsten.
Was ihn so sicher macht? Moon Chung In erzählt von jener Pause beim innerkoreanischen Gipfel, als beide Staatschefs beim Tee saßen. Dort habe Kim seinem südkoreanischen Amtskollegen mitgeteilt, dass, wenn Nordkorea nur mehr Gespräche mit den USA führe, sie Vertrauen aufbauten und ein Friedensabkommen schlössen, würde er nuklear vollständig abrüsten. Wörtlich soll Nordkoreas Machthaber gesagt haben: „Wieso sollten wir in einer solchen Situation an einer Atombombe festhalten, unter der wir doch wirtschaftlich so stark leiden?“.
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