Stadtentwicklung in Ottensen: Hotspot der Werbebranche
Auf dem Zeise-Parkplatz soll ein Bürohaus für eine große Werbefirma entstehen. Zuvor waren dort Wohnungen geplant. Kritiker befürchten Yuppisierung.
Ottensen steht vor einer großen Veränderung. Ab 2017 sollen mehr als 850 Leute aus der Werbebranche auf dem Parkplatz neben den Zeise-Hallen arbeiten. Die Firma WPP, angeblich der größte Kommunikationsdienstleister der Welt, will sich hier ein Bürohaus bauen lassen, in dem zwölf seiner Hamburger Tochterfirmen konzentriert würden – unter anderem die Werbeagentur Scholz & Friends.
Gegen das Vorhaben hat die Stadtteilinitiative „Annaelbe“ für Freitag, 16.30 Uhr, zu einer Kundgebung „vor dem leider nicht mehr existierenden Bismarckbad am noch existierenden Altonaer Bahnhof“ aufgerufen. Motto: „Schluss mit dem Ausverkauf Altonas“. Der Senat könnte das Vorhaben noch stoppen, denn das Grundstück gehört der Stadt und ist den Investoren nur zu Planungszwecken anhand gegeben worden.
Noch im Januar war der Planungsstand, dass auf der „Zeise-Wiese“ neben dem gleichnamigen Kino ein Block mit mehr als 80 Wohnungen und Geschäften im Erdgeschoss entstehen solle. Jede zweite Wohnung sollte eine Sozialwohnung sein, weshalb die Stadt der Projektentwicklerin Prokom Invest einen günstigen Kaufpreis in Aussicht stellte. Doch Prokom überlegte es sich anders und zog zusammen mit der Firma Quantum Projektentwicklung den „Kommunikationsdienstleister“ WPP an Land.
Prokom und Quantum wollen in einem Joint Venture bis Ende 2016 ein sechsstöckiges Bürohaus mit 13.000 Quadratmetern Mietfläche errichten. Das Hamburger Architektenbüro Störmer-Murphy hat für das Gebäude ein mit Glas überdachtes Foyer vorgeschlagen, das von „Kommunikationsbrücken“ durchquert werden soll.
WPP hat weltweit 170.000 Mitarbeiter und ist mit 3.000 Büros in 110 Ländern vertreten. Mit Werbung, Marktforschung, PR und Marken-Entwicklung setzt das Unternehmen 13 Milliarden Euro im Jahr um. In Deutschland arbeiten 6.800 Menschen für WPP - neben Hamburg in Düsseldorf, Frankfurt, München und Berlin.
Quantum Immobilien mit Sitz in Hamburg bietet institutionellen Investoren Immobilienfonds an und verwaltet dabei 3,4 Milliarden Euro. Zudem entwickelt die Firma Immobilienprojekte, wie etwa die Bebauung des ehemaligen Electrolux-Areals an der Max-Brauer-Allee.
Procom Invest ist ein Hamburger Unternehmen, das vor allem Immobilien für den Einzelhandel plant, entwickelt und baut - vom Kaufhaus bis zum Baumarkt. Procom vermietet die Zeise-Hallen.
Im Erdgeschoss soll es ein Café geben. Die Parkplätze bleiben öffentlich, werden aber in eine Tiefgarage verlegt. Wie der Altonaer Baudezernent Reinhold Gütter mitteilte, sprechen die Planer Mitte dieser Woche mit Oberbaudirektor Jörn Walter über die Grundzüge der Gestaltung.
Gütter weist darauf hin, dass der geltenden Bebauungsplan ein Bürohaus zulässt und dass für das Grundstück schon alles mögliche diskutiert worden sei: ein Theater, ein Multiplexkino, eine Akademie. Wohnungen hätte der Bebauungsplan als Ausnahme erlaubt. Dafür entstünden jetzt Arbeitsplätze: Mehr als die Hälfte davon komme neu nach Hamburg.
Uwe Szczesny, der Fraktionschef der oppositionellen CDU in der Bezirksversammlung, findet es zwar schade, dass der Bezirk auf die 50 Prozent öffentlich geförderter Wohnungen verzichten müsse. Er hält das aber für verschmerzbar, „weil wir anderswo oft Gewerbe wegrationalisieren“, wie er sagt. Und selbstverständlich müsse der Kaufpreis nachverhandelt werden. Die CDU wolle nicht, dass angestammte Einwohner verdrängt werden. Szczesny sieht da aber auch keine Gefahr: „Ich denke eher, dass es eine Befruchtung werden könnte“, sagt er.
Robert Yarowoy von der Linken sieht das anders. „Der Stadtteil wird damit vollends zum Yuppie-Quartier“, befürchtet er. Hamburger Kreative hätten nichts von den neuen Arbeitsplätzen. „Die schreiben diese Arbeitsplätze bis nach Australien aus“, sagt er. Angesichts der Wohnungsknappheit und des Mangels an Flächen für kleine Betriebe sei es unsinnig, in Ottensen Büros zu bauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene