Stadtentwicklung im Vergleich: Linke mietet Ideen von außen
Auf einem Kongress blickt die Linke über den Tellerrand. München soll zeigen, wie man es nicht macht - und Wien, wie man's macht.
So viel nichtberliner Dialekt ist selten bei der Linken. Auf dem Podium der Konferenz "Soziale Wohungspolitik für Berlin" saßen neben dem linken (und berlinernden) Wohnungspolitiker Uwe Doering gleich zwei Vertreter mit unverkennbar südlichem Idiom - die Münchnerin Beate Marschall und der Wiener Wolfgang Förster. Der Blick über den Tellerrand war Programm. München sollte zeigen, wie man es nicht macht mit der Mietenpolitik - und Wien, wie schön alles ist, wenn man's richtig macht.
Wolfgang Förster, der für den kommunalen Wohnungsbestand Zuständige in der Wiener Stadtverwaltung, gefiel die Rolle des Beispielgebers ganz gut. Genüßlich zählte er auf, was Wien zu seinen Errungenschaften zählt: 220.000 Wohnungen sind im Besitz der Stadt, weitere 200.000 gehören gemeinnützigen Eigentümern. "Das ist die Hälfte unseres Bestandes", freute sich Förster.
Doch Wien kann noch mehr: "Die Mieten sind bei uns gebunden, Mietverträge können vererbt werden, und für den Neubau gibt es jährlich fast 500 Millionen Euro von der österreichischen Bundesregierung." Da versteht es sich fast von selbst, dass auch für energetische Sanierung Fördermittel bereitstehen. "Die Einsparungen sind damit größer als die Mietererhöhung". Sagte Wolfgang Förster, und die mehr als 100 Teilnehmer des Wahlkampfkongresses rieben sich die Augen ob des real existierenden Sozialismus im Nachbarland.
"Segregation verhindern, Bevölkerungsvielfalt erhalten": Das wollen die Linken in Berlin. Nur wie sie es wollen, ist noch nicht so recht klar. Die Konferenz am Dienstag im Pfefferberg kam deshalb gerade recht - am Sonntag lädt die Partei zu ihrem Wahlprogramm-Parteitag.
"Ohne uns hätte der Senat das Thema überhaupt nicht zur Kenntnis gekommen", hatte Landeschef Klaus Lederer die Teilnehmer auf das Podiumsgespräch eingestimmt. Die Botschaft war klar: Nicht nur die Opposition ist im Wahlkampf der politische Gegner, sondern auch der Koalitionspartner SPD.
Doch damit ist das Dilemma der Mieterpartei Die Linke nicht gelöst. Auch nicht mit dem Hinweis auf den worst case München. "Die durchschnittlichen Nettokaltmieten liegen bei Neuvermietungen bei 11 Euro für große und 14 Euro für kleine Wohnungen", sagte Beate Marschall vom Münchner Mieterverein.
Was also tun, wenn der Bund das Mietrecht eher verschlechtert als verbessert, der Koalitionspartner zaudert und der Handlungsspielraum einer Stadt wie Berlin ohnehin gering ist?
Diese Fragen vertagte die Parteiregie in die Workshops. Und auch da mietete die Linke vor allem Ideen von außen. Im Panel mit dem Thema "Alternativen zum sozialen Wohnungsbau" kamen Baugruppen, Genossenschaften und das Mietshäuser-Syndikat zu Wort.
Einig waren sich die Teilnehmer, dass mit Projekten wie diesen Wohnungen dauerhaft dem Markt entzogen werden. Mehr als eine Nischenpolitik aber sei dies nicht. Auch das Thema Neubau helfe den unmittelbar Bedürftigen wenig, wenn die Mieten selbst bei subventionierten Grundstücken bei 8,50 Euro netto kalt beginnen.
"Am Wohnungsbau führt dennoch kein Weg vorbei", sagte der ehemalige Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, Rudolf Kujath. "Wenn dabei teure Wohnungen entstehen, werden auch wiederum preisgünstige frei." Diesen Sickereffekt gebe es aber nur, wenn die Gesellschaften auf hohe Zuschläge bei Neuvermietungen verzichten.
Wie aus all dem Politik werden soll, ist Sache des Parteitags. Wer daraus Politik machen soll, verriet der berlinernde Uwe Doering bereits am Dienstag. "Das geben wir alles Katrin Lompscher auf den Weg." Die Noch-Umweltsenatorin hatte sich auf der Podiumsdiskussion bereits als Bausenatorin in spe präsentiert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart