Staatsverträge mit MuslimInnen: Religion zweiter Klasse?

Per Vertrag sichern Hamburg und Bremen islamischen Gemeinden ähnliche Rechte zu wie Christen. Aber nicht in allen Nord-Bundesländern laufen die Verhandlungen.

Hamburg und Bremen haben den Staatsvertrag, Schleswig-Holstein und Niedersachsen zögern. Warum? Foto: dpa

HANNOVER taz | Anerkennung, Respekt, das Gefühl, dass der Islam als Glaube gerade von staatlicher Seite anerkannt wird: Das sollen Verträge zwischen Landesregierungen und muslimischen Religionsgemeinschaften vermitteln. Bekräftigt werden in ihnen Rechte, wie sie auch christliche Kirchen seit Jahrhunderten genießen: zum Bau von Gotteshäusern, zur Erteilung islamischen Religionsunterrichts, zu Bestattungen nach traditionellem Ritus.

Geregelt wird auch die Ausbildung muslimischer Theologen an deutschen Universitäten – als Geistliche und Lehrer sollen sie eine zeitgemäße, liberale Interpretation des Islam in Gemeinden und Schulen tragen und so die Integration von Muslimen unterstützen, hoffen Befürworter, zu denen etwa in Niedersachsen nicht nur SPD, Grüne und FDP, sondern auch die Kirchen zählen.

Im Gegenzug bekennen sich der Dachverband der türkischen Moscheegemeinden (Ditib), der Landesverband der Muslime (Schura) und die alevitischen Gemeinden noch einmal ausdrücklich zur „grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere zur Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Geltung der Grundrechte, der Völkerverständigung und der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen“, wie es im Vertrag mit dem Hamburger Senat heißt.

Unterzeichnet hat der Erste Bürgermeister Ole von Beust diese Vereinbarung schon 2012. Die Hansestadt war damit das erste Bundesland, das eine solche, oft missverständlich „Staatsvertrag“ genannte Regelung mit den Muslimen traf – da deren Religionsgemeinschaften im Unterschied zu den evangelischen Landeskirchen keine Körperschaften öffentlichen Rechts sind oder sich gar wie die katholische Kirche als eigenständiger (Vatikan-)Staat verstehen, kommen sie formalrechtlich nicht als Partner für einen „Staatsvertrag“ infrage.

Der Bremer Senat zog 2013 nach. Vor der Flucht Hunderttausender wurde auch in Schleswig-Holstein und Berlin über die schriftliche Fixierung der Rechte der muslimischen Gemeinden nachgedacht. Nach den Anschlägen von Paris, Brüssel, Nizza und Würzburg aber fürchten immer mehr Landespolitiker, dass WählerInnen die Religion des Islam pauschal verkürzt mit Islamismus und Terrorismus gleichsetzen, dass rechtspopulistische Parteien wie die AfD mit ihren Parolen über eine angebliche Bevorzugung von MigrantInnen noch mehr Auftrieb erhalten könnten.

Bis zur Landtagswahl 2017 werde ein solcher Vertrag nicht mehr zustande kommen, teilte ein Sprecher der von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband getragenen Landesregierung von Ministerpräsident Torsten Albig im Juni mit. Man brauche mehr Zeit, hieß es zur Begründung. Und in Berlin konnte sich die nur noch bis September regierende große Koalition aus SPD und CDU lediglich auf einen „vorstaatlichen Kommunikationsprozess“ einigen.

Über einen Vertragsabschluss diskutiert wird dagegen noch in Niedersachsen. Seit 2013 bemüht sich die rot-grüne Koalition von SPD-Ministerpräsident Stephan Weil um ein solches „Zeichen des Respekts und der Akzeptanz“. Unterzeichnen will Weil das Abkommen aber nur mit Unterstützung aller im Landtag vertretenen Parteien. Die CDU aber bremst massiv. Dabei waren die Verhandlungen schon 2006 durch einen christdemokratischen Regierungschef angestoßen worden – durch Christian Wulff, der später als Bundespräsident mit seinem Statement, der Islam gehöre zu Deutschland, Furore machte.

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