Staatsminister über Colonia Dignidad: „Keine rechtliche Verantwortung“
In der Colonia Dignidad folterten Deutsche für das chilenische Regime. Heute hilft Deutschland einer Firma, die dort wirtschaftet. Warum, Niels Annen?
taz: Herr Annen, was vorher die Siedlung Colonia Dignidad war, nennt sich inzwischen Villa Baviera und ist in Form einer Firmenholding organisiert. Es mehren sich Klagen von Opfern, die in der Colonia Dignidad gefoltert wurden, über die ungerechte Verteilung von Macht und Vermögen. 2017 hatte der Bundestag gefordert, dass die „Klärung der Besitzverhältnisse“ vorangetrieben wird. Und zwar „auch mit dem Ziel, dass Mittel aus dem Vermögen konkret den Opfern zugutekommen“. Was tun Sie in dieser Hinsicht?
Niels Annen: Wir haben uns wie vereinbart um Klärung der Eigentumsverhältnisse bemüht. Leider dürfen wir nicht alles veröffentlichen, weil die Eigentümer das so verlangen. Das ist eine vielschichtige Frage: Wir haben eine politische, aber keine rechtliche Verantwortung. Wir zahlen individuelle Hilfsleistungen an die Opfer der Sekte aus und achten dabei ganz genau darauf, keine Leistungen an Personen aus dem Täterkreis auszuzahlen. Denn so hat es der Deutsche Bundestag gefordert.
Sie spielen auf eine Machbarkeitsstudie zur Wirtschaftsprüfung an, die Sie unter Verschluss halten, weil Sie den Eigentümern der dortigen Firmen Verschwiegenheit zugesichert haben. Gleichzeitig finanziert die Bundesregierung seit mehreren Jahren die Infrastruktur der Villa Baviera mit. Damit haben Sie doch Mittel, um Druck zu machen?
Die Tatsache, dass wir bestimmte Leistungen zahlen, führt nicht dazu, dass Eigentumsrechte und Eigentumstitel, die bestimmte Personen oder Konglomerate in Chile besitzen, dadurch außer Kraft gesetzt werden. Wir sind auf die Kooperation der chilenischen Behörden angewiesen und auch auf die Einsicht derjenigen, die in der Villa Baviera über Eigentum und entsprechende Rechte verfügen.
Laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken prüft die Bundesregierung die Einsichtnahme in das chilenische Handelsregister für Firmen der Villa Baviera. Was ist daraus geworden?
Die Auszüge sind eingetroffen und werden nun ausgewertet.
Noch sind viele Fragen ungeklärt. Wie geht die Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad nach Ende dieser Legislaturperiode weiter?
Wir haben viel getan, aber die Arbeit ist nicht beendet. Neben Fragen zur Gedenkstätte steht auch die Realisierung eines Fonds an, der ehemalige Bewohner*innen der Colonia Dignidad absichert, die außerhalb der Villa Baviera in Chile leben.
Wird es die Gemeinsame Kommission mit Vertreter*innen aus Bundesregierung und Bundestag weiter geben?
Wir hoffen, dass diese wichtige Arbeit über diese Legislatur hinaus fortgesetzt wird. Ich habe auch gegenüber unseren chilenischen Gesprächs- und Verhandlungspartnern immer signalisiert, dass wir von der Fortsetzung der wichtigen Arbeit ausgehen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!