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StaatsbesuchPolnischer Wahlkampf beim Nachbarn

Bei seiner ersten Russlandreise besucht Polens Präsident Kaczyski nur Katyn. Dort wurden 1940 tausende polnische Offiziere vom sowjetischen Geheimdienst getötet.

Wieder mal Ärger mit den Nachbarn: Kascynski auf Staatsbesuch Bild: reuters

WARSCHAU taz Dass Polens Präsident Lech Kaczynski Russland seinen ersten Besuch ausgerechnet am 17. September abstattet, dort aber keinen Politiker traf, sondern nur Kränze an Kriegsgräbern niederlegte, hat mit dem Wahlkampf in Polen zu tun. In fünf Wochen sollen die Polen in vorgezogenen Parlamentswahlen entscheiden, ob Jaroslaw Kaczynski, der bisherige Regierungschef und Bruder des Präsidenten, seinen "Kampf gegen Kommunisten und Oligarchen" fortsetzen soll oder eine Koalition aus Liberalen (PO) und Links-Demokraten (LiD) das Regierungsruder übernehmen soll.

"Für uns Polen symbolisiert der Wald von Katyn den kommunistischen Völkermord an über 25.000 polnischen Kriegsgefangenen. Hier ruhen die Gebeine von Offizieren, die alle der polnischen Vorkriegsintelligenz angehörten", sagte Kaczynski in seiner Gedenkrede. Im Oktober 1939 habe Hitler prophezeit, dass Polen nie wieder als unabhängiger Staat auferstehen werde. "Diese Lüge hat eine Niederlage erlitten, ebenso wie die Lüge über die verschwiegenen sowjetischen Verbrechen."

Tatsächlich gab erst der letzte Präsident der Sowjetunion,Michail Gorbatschow, 1990 zu, dass der sowjetische Geheimdienst NKWD das Kriegsverbrechen in den Wäldern bei Smolensk begangen hatte. Sein Nachfolger Boris Jelzin überreichte dem damaligen Präsidenten Polens Lech Walesa Unterlagen aus den persönlichen Tresoren der sowjetischen KP-Generalsekretäre. Als Polen dann forderte, dass Moskau das Kriegsverbrechen Stalins als "Völkermord an Polen" anerkennen solle, wurden die Beziehungen frostiger.

"Vorwahltrauer" titelte die Moskauer Tageszeitung Wremja Nowostej. Kaczynski sei nicht an einer Verbesserung der polnisch-russischen Beziehungen gelegen, da er weder nach Moskau fahren noch sich mit dem russischen Präsidenten oder Regierungschef treffen wolle.

Dabei wäre vieles zu besprechen: Polen sieht seine Energiesicherheit durch die deutsch-russische Ostseepipeline gefährdet, Russland fühlt sich durch den in Polen geplanten Raketenabwehrschild der US-Amerikaner bedroht. Russland verhängte ein Importverbot für polnisches Fleisch, weil es angeblich nicht den Hygienevorschriften Russlands entspreche, woraufhin Polen sein Veto gegen ein neues Handelsabkommen zwischen der EU und Russland einlegte.

Dass Kaczynski nicht schon im März nach Russland gefahren ist, am Gedenktag für den Mord an den Offizieren in Katyn, spricht dafür, dass er diesen Besuch zu Wahlkampfzwecken nutzen wollte. Doch auch der 17. September 1939 gehört zu den tragischsten Daten in der Geschichte Polens. An diesem Tag, nur zwei Wochen, nachdem Hitlers Wehrmacht Polen vom Westen her überfallen hatte, marschierte Stalins Rote Armee im Osten ein. Offiziell zum Schutz der Ukrainer und Weißrussen auf polnischem Gebiet. Dass die Teilung Polens im geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt bereits festgeschrieben war, ahnte in Polen niemand.

Das Erwachen war bitter: Die eigene Regierung floh am 17. September, ebenso der oberste Befehlshaber der polnischen Armee und sogar der Primas der katholischen Kirche. Sowjets und Deutsche aber verübten Kriegsverbrechen, beuteten das Land wirtschaftlich aus, deportierten hunderttausende Polen nach Sibirien und knapp drei Millionen Polen zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich.

Immerhin rang sich Kaczyn ski noch den Satz ab: "Wir müssen in die Zukunft schauen", während Georgi Poltawtschenko, der für Präsident Putin nach Katyn gekommen war, Kaczynski die Hand reichte und hoffte, dass "dieser Besuch der weiteren Entwicklung von Freundschaft und gegenseitiger Verständigung dienen wird".

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