Staatsanwaltschaft legt Berufung ein: Neukölln-Prozess geht in Runde zwei
Die Generalstaatsanwaltschaft findet sich mit den milden Urteile für drei Neonazis nicht ab. Ferat Kocak fordert, Strukturen in den Blick zu nehmen.
Die Berufung ist beim zuständigen Landgericht eingegangen, sagte ein Sprecher der taz. Das neue Verfahren, dessen Beginn in einigen Monaten erwartet werden kann, wird von einer erweiterten Kleinen Strafkammer des Landgerichts verhandelt.
Die Neonazis standen seit August 2022 vor Gericht, angeklagt für eine Serie rechtsextremer Straftaten in den vergangenen 13 Jahren, vor allem aber für die Brandstiftungen an den Autos des Linken-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann am 1. Februar 2018. Der Gerichtsprozess hatte zwar offengelegt, wie die Angeklagten ihre politischen Gegner, ihre Wohnorte und Autos ausspähten. Ein endgültiger Beweis für die Brandstiftungen konnte aber nicht erbracht werden – diese Anklagepunkte endeten mit Freisprüchen.
Der Prozess hatte im Februar mit einer anderthalbjährigen Haftstrafe für T. wegen Morddrohungen, Sachbeschädigungen und Sozialbetrugs geendet. Schon zuvor war das Urteil gegen den zweiten mutmaßlichen Haupttäter P. gefallen. Verurteilt wurde er lediglich zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 30 Euro für acht Propagandadelikte bei einer Kampagne für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß. Samuel B. wurde wegen Sachbeschädigung in neun Fällen ebenfalls zu 150 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt.
Keine Zweifel an Täterschaft
Die B.Z. hatte aus der Berufungsbegründung zitiert. Darin heißt es: „Eine Gesamtschau aller Indizien lässt keinen Raum für Zweifel an der Täterschaft.“ Bezogen auf Tilo P. und den Anschlag auf Kocaks Auto heißt es, dass „der Angeklagte nach der Kenntniserlangung des Kennzeichens und des Wohnortes zeitnah ziel- und zweckgerichtet handelte.“ Neue Beweise oder Indizien seien jedoch nicht angekündigt. Der Anwalt von Tilo P. bezeichnete die Berufung laut B.Z. als „Lyrik und juristische Verbalakrobatik“.
Ferat Kocak selbst sagte der taz: „Es bringt nichts, noch mal den gleichen Prozess durchzumachen.“ Stattdessen müsse man „davon wegkommen, die Täter einzeln zu betrachten, sondern die organisierte Struktur in den Blick nehmen“. Eine Wiederaufnahme des Prozesses sei dazu geeignet, „wieder Sichtbarkeit für das Thema zu schaffen und auf weitere Taten hinzuweisen“.
Auch im Hinblick auf die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses sei eine höhere Aufmerksamkeit für die Thematik gut. Allerdings sei es ein Problem, dass dem Ausschuss die Einsicht in bestimmte Akten verwehrt werden, solange der Prozess läuft.
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