St. Pauli im Aufschwung: Investments bringen Rendite
Der in Unterzahl hart erkämpfte 2:1-Sieg gegen den 1. FC Heidenheim verschafft den Fußballern vom FC St. Pauli etwas Luft im Abstiegskampf.
St. Pauli gegen Heidenheim, der Tabellensiebzehnte gegen den Sechzehnten – das ist so eine Partie, die beide eigentlich gewinnen müssen, wenn sie in der Bundesliga bleiben wollen. Es ist entweder der Wendepunkt. Oder das Ende. Punkt.
Es ist auch das Aufeinandertreffen zweier Trainer, die mit ihrer Punktausbeute vermutlich bei jedem anderen Verein längst ihren Job los wären. Doch Frank Schmidt hat seinen in Heidenheim noch, weil er ihn gefühlt schon immer hatte; weil er den Klub zu dem gemacht hat, was er ist. Mit ihm würden sie wohl sogar zurück in die Dritte Liga gehen, wenn er das wollte.
Alexander Blessin ist bei St. Pauli noch im Amt, weil er einerseits nach dem letztlich souveränen Klassenerhalt in der vorigen Saison einen ungeheuren Kredit hat. Und weil sie andererseits im Klub wissen, dass die Mannschaft eben nur knapp bundesligatauglich ist. Noch mal, im traditionell schwierigen zweiten Jahr, ist der Abstieg nur abzuwenden, wenn alle wieder durchgängig über ihr Leistungslimit gehen – und noch eine Portion Glück hinzukommt.
Präsident Oke Göttlich hat ein ums andere Mal betont, dass dem Vorjahresaufsteiger im Jahresetat rund 30 Millionen Euro fehlen im Vergleich zu den Konkurrenten aus Mainz oder Augsburg, die derzeit in unmittelbarer Tabellennachbarschaft rangieren. Sogar die diesjährigen Aufsteiger HSV und Köln konnten in ihre Mannschaften erheblich mehr investieren.
Der SC Freiburg als Vorbild
Wenn Göttlich über die langfristige Strategie von St. Pauli spricht, nimmt er immer den SC Freiburg als Referenzpunkt: Spieler entwickeln, verkaufen und so Stück für Stück die Lücke schließen. Zu dem Modell würde, wenn man es ernst nimmt, auch gehören, mal mit einem Trainer, von dem man überzeugt ist, in die Zweite Liga zu gehen.
Sportchef Andreas Bornemann, selbst früher in Freiburg tätig, hat zu Beginn dieser Saison für St. Paulis Verhältnisse groß eingekauft. In die Kategorie „Investment“ fallen vor allem die beiden teuersten Zugänge: Der Japaner Joel Chima Fujita (23), zentraler Mittelfeldspieler mit großem Kämpferherzen und gefährlichen Pässen, und der niederländische Mittelstürmer Martijn Kaars (26), der für Magdeburg 19 Tore in einer Zweitligasaison geschossen hat. Zusammen haben sie fast 8 Millionen Euro gekostet.
Fujita ist sofort als Stammspieler eingeschlagen. Kaars tat sich dagegen schwer: Wenn er überhaupt spielte, enttäuschte er meistens; trieb viel Aufwand für wenig Ertrag. Bis zu diesem Sonnabend, als Fujita einen perfekten Ball in die Schnittstelle der Heidenheimer Abwehr spielte, den Kaars erlief und zum 1:0 in den Torwinkel knallte.
Fast noch spektakulärer war es zu Beginn der zweiten Halbzeit, als St. Pauli nach Notbremse und Platzverweis von Abwehrchef Eric Smith unter Dauerdruck stand. Der einzige öffnende Pass gelang wiederum Fujita auf Kaars, der mit dem Ball losstürmte und Heidenheims Keeper mit einem Gewaltschuss überwand.
Dass St. Pauli noch am Anfang seiner Rekonvaleszenz steht, war daran zu erkennen, wie die Mannschaft sich in Unterzahl fast eine komplette Halbzeit lang um den eigenen Strafraum einigelte, überhaupt keine spielerischen Lösungen mehr suchte. Es sagt vor allem etwas über die Verfassung der Heidenheimer, dass denen nur noch das 1:2 gelang.
Ob der Sieg für St. Pauli nach überragendem Saisonstart und dem folgenden Absturz mit 9 Niederlagen am Stück wirklich ein Wendepunkt war, wird sich am Sonntag zeigen, wenn das nächste Kellerduell beim Tabellenletzten Mainz ansteht.
Abgezeichnet hatte diese Wende sich bereits in der vorherigen englischen Woche, als St. Pauli bei den Bayern bis zur 93. Minute ein Unentschieden gehalten hatte, bevor es doch noch eine 1:3-Niederlage setzte. Als sie in Köln mit einem Tor in der 94. Minute einen Punkt gerettet hatten. Oder dazwischen, als sie mit einem 2:1-Sieg im DFB-Pokal in Mönchengladbach ins Viertelfinale einzogen.
Auffallend ist, wie St. Paulis Aufschwung mit den Einsatzzeiten von Kapitän Jackson Irvine korreliert – zuletzt spielte er dreimal durch und St. Pauli hat keines dieser Spiele verloren. Irvine hatten nach langer Verletzungspause und der quälenden Debatte um seine Solidaritätsbekundungen mit den Palästinensern manche im Verein schon abgeschrieben.
Er werde es sportlich schwer haben, ins Team zurückzufinden, hieß es, und könnte versucht sein, im Winter zu wechseln, um seine Chancen auf eine WM-Teilnahme mit Australien zu wahren. Wer gesehen hat, wie unermüdlich Irvine gegen Heidenheim seine Mannschaft angetrieben hat, wird das verhindern wollen.
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