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Sprungbrett Schweiz

Ungewöhnlich viele deutsche Trainerinnen finden den Einstieg ins Berufsleben über einen Job in der Schweiz. Dort sollen jetzt endlich auch einheimische Coaches gefördert werden

Schweizer Meistermacherin: Imke Wübbenhorst nach dem Titelgewinn mit den Young Boys Bern Foto: imago

Von Alina Schwermer

Hauchknapp ist Trainerin Imke Wübbenhorst am Ende dieser Saison mit ihren Young-Boys-Frauen Schweizer Meisterin geworden. Im Finale der Playoffs schlug sie die Grasshoppers Zürich im Elfmeterschießen mit 5:4. Weniger Erfolg hatte Kim Kulig, die mit ihrem FC Basel im Halbfinale ausschied. Beide Deutsche betonen oft, wie glücklich sie in der Schweiz seien. Kulig hat auf ihrer ersten Stelle als Cheftrainerin bis 2027 verlängert, Wübbenhorst, seit 2022/23 in Bern, würde gleich gern dort eine Ära prägen. Zum deutschen Klassentreffen in der Schweiz gesellen sich noch Nadine Angerer, die als Torwarttrainerin beim Schweizer Nationalteam arbeitet, und Anne Pochert, die Co-Trainerin bei der Schweizer U19 ist.

In Scharen zieht es deutsche Trainerinnen in die Schweiz. Inka Grings coachte ab 2021 den FC Zürich, holte dort das Double und war anschließend glücklos für ein Jahr Schweizer Nationaltrainerin. Als Schweizer Auswahlcoach machte von 2012 bis 2018 auch Martina Voss-Tecklenburg auf sich aufmerksam, bevor der DFB sie als Bundestrainerin verpflichtete. Anne Pochert ging aus Jena zu Grasshoppers Zürich und folgte dort auf eine weitere Deutsche, Theresa Merk, künftig Akademie-Leiterin beim 1. FC Köln. Jacqueline Dünker wiederum, bis 2024 Trainerin beim FC Zürich, wurde Nachfolgerin von Grings, mittlerweile ist sie auch in Köln tätig.

Um diese Wanderung nach Süden zu verstehen, reicht ein Blick auf die Trainerposten der deutschen Frauen-Bundesliga. Nur eine einzige Frau war in der abgelaufenen Saison dort Cheftrainerin. Die Klubs besetzen ihre Posten am liebsten mit Männern aus der dritten Reihe, für die Frauen bleibt höchstens der Job als Co-Trainerin. Im Männerfußball haben sie gleich gar keine Chance. Dass es in der kommenden Frauen-Bundesliga-Saison etwas besser aussehen wird, liegt ausgerechnet an den kleineren Klubs: Der 1. FC Köln hat Britta Carlson verpflichtet, und die beiden Aufsteiger HSV und Union Berlin haben weibliche Cheftrainerinnen. Ganz anders in der Schweiz: Dort sind es gerade die Spitzenteams, wo viele deutsche Frauen als Trainerinnen arbeiteten. Zwar sieht es auch hier beim Frauenanteil nicht mehr so rosig aus. Aber immerhin vier von zehn Klubs werden von Frauen trainiert, darunter die Topteams Young Boys, St. Gallen und FC Basel. Zwei dieser drei sind Deutsche.

„Ich wollte wieder in Ruhe arbeiten, ohne dass alles beäugt wird“, so begründete Imke Wübbenhorst ihren Wechsel in die Schweiz gegenüber dem NDR. „In Bern war es schön zu erleben, wie ich im Frauenfußball geschätzt werde.“ In Deutschland, wo sie zwischenzeitlich in der Männer-Oberliga coachte, habe sie das anders erlebt. „Man wurde darauf reduziert, dass man eine Frau ist. Aber dass ich mehr Verstand vom Fußball habe, das haben die komplett ausgeblendet.“ Ohnehin sei es enorm hart, die 20.000 Euro für die A-Plus-Lizenz an der DFB-Akademie zu stemmen; erst recht, wenn man nicht sicher sein könne, dann einen Job zu kriegen. „Ein wirklich schwerer Weg.“ Über die Schweiz äußerte sich Wübbenhorst auch positiv, was die Akzeptanz von Müttern angeht – 2025 war sie nach Mutterschaft auf ihren Chefposten zurückgekehrt.

Der DFB hat zuletzt verschiedene Maßnahmen wie reine Frauenlehrgänge und Stipendien eingeführt. Doch reicht das? Ex-Fußballerin und TV-Expertin Kathrin Lehmann kritisierte gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass auch bei der EM nur sieben Cheftrainerinnen arbeiten, die meisten aus einem anderen Land als ihr Nationalteam. „Warum werden die wenigen Top-Trainerinnen eigentlich nicht in ihrem eigenen Land gefördert? Warum können Imke Wübbenhorst und Kim Kulig erfolgreich in der Schweiz arbeiten, aber nicht in ihrer Heimat Deutschland?“

„Ich wollte in Ruhe arbeiten, ohne dass alles beäugt wird“

Imke Wübbenhorst, Meistertrainerin in Bern

Denn auch die Schweiz ist statistisch nicht ungewöhnlich progressiv, was die Beschäftigung von Trainerinnen betrifft. Nur acht Prozent aller Trai­ne­r:in­nenposten sind mit Frauen besetzt. Zudem gibt es kaum hochqualifzierte Schweizer Trainerinnen. Aber in der Schweizer Women’s Super League setzt man eben gern auf Ausländerinnen aus Deutschland. Womöglich profitieren Wübbenhorst und Co von dem Image, vermeintlich besser qualifiziert zu sein.

Wenn Top-Trainerinnen eine Chance haben, dann oft jenseits der eigenen Heimat. Im Zuge der EM immerhin könnten sich Dinge bewegen. Bis 2027 soll sich die Zahl der Trainerinnen in der Schweiz verdoppeln. Und ganz oben in der ersten Liga sind gerade zwei junge Schweizerinnen auf Top-Positionen nachgerückt. Die erst 33-jährige Jasmin Schweer übernimmt ab diesen Sommer den FC St. Gallen, die 41-jährige Luzia Odermatt den FC Luzern.

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