Sprengstoff-Fund in Dortmund: Bombenbastler wollte Geld scheffeln
Der am Dortmunder Westfalenstadion deponierte Sprengstoff war Teil eines dreisten Plans. Ein 25-jähriger Ex-Chemiestudent wollte offenbar die Behörden erpressen.
BERLIN taz | Der Hintergrund des Sprengstofffunds am Dortmunder Fußballstadion ist offenbar eine versuchte Erpressung. "Er wollte ein gesichertes Leben danach, er wollte letztlich Geld von uns", sagte Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA).
Ein 25-jähriger ehemaliger Chemiestudent war bereits am Dienstag festgenommen worden. In der Vernehmung erzählte er von Sprengsätzen, die er am "Signal Iduna Park" deponiert habe, wie das vor einigen Jahren umbenannte Westfalenstadion heute offiziell heißt.
Am Donnerstag fand die Polizei dann an einem Zugangsweg zum Stadion tatsächlich drei "sprengstoffverdächtige Gegenstände". Wie gefährlich diese wirklich waren, blieb auch am Freitag unklar.
BKA-Chef Ziercke vermutet, der Mann habe gewollt, dass die Sprengkörper gefunden werden. Ein Blutbad am Wochenende beim Spiel des BVB gegen Hannover sollte es wohl nicht geben. Und der islamistische Hintergrund, der in ersten panischen Meldungen des Boulevards nahegelegt wurde, entpuppt sich als rein fingiert.
Vielmehr scheint sich der 25-Jährige einen dreisten Plan ausgedacht zu haben, um an Geld zu kommen. Er meldete sich im Februar anonym per E-Mail als angeblicher Hinweisgeber bei der deutschen Botschaft im pakistanischen Islamabad und behauptete, Informationen über in Deutschland geplante Anschläge zu haben - einer sollte am Dortmunder Stadion verübt werden.
Halb Deutschland in Hysterie
Doch an der Geschichte war etwas faul, wie das BKA früh vermutete. Die Beamten verglichen seine E-Mail mit ihrer "linguistischen Textsammlung", in der Erpresserschreiben gesammelt werden, und stellten einen Zusammenhang mit einer versuchten Erpressung in Baden-Württemberg im Jahr 2010 fest.
Ein Verdacht, der jetzt durch die Durchsuchung der Wohnung des Mannes bestätigt wurde, so das BKA. Dort fand man auch weitere Chemikalien, aus denen sich Sprengsätze basteln lassen.
Warum der 25-Jährige ein islamistisches Anschlagsszenario erfand, um daraus Profit zu schlagen, bleibt unklar. "Da weiß man zumindest, dass man ernst genommen wird", hieß es in Sicherheitskreisen.
Der Mann hat offenbar die Zeitungen der vergangenen Wochen gut verfolgt. Dort war viel von drohenden Terroranschlägen die Rede, von Hinweisgebern aus dem islamistischen Spektrum und ausstiegswilligen Dschihadisten, die sich an deutsche Behörden wenden - in einem Fall an die Botschaft in Islamabad. Daraus strickte sich der 25-Jährige offenbar eine kuriose Drohlegende und versetzte halb Deutschland in Hysterie.
Die weiteren Ermittlungen liegen jetzt in Karlsruhe: Nein, nicht bei der dort angesiedelten Bundesanwaltschaft, die für Terrorismus zuständig ist - sondern bei der für ganz normale Kriminalität zuständigen Karlsruher Staatsanwaltschaft.
Was bleibt: viel Wirbel um eine windige Geschichte. Der Dortmunder Sprengstofffund sollte zu denken geben - auch den Medien.
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