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„Spreewaldkrimi“ und „Tatort“So schön kaputt

Eigentlich will Roeland Wiesnekker nicht mehr die Gebrochenen spielen und macht es doch – in dieser Woche gleich zwei Mal. Gut so.

Roeland Wiesnekker als Gottfried im ZDF-„Spreewaldkrimi“. Bild: Holly Fink/ZDF

Vielleicht „kräftig“. Roeland Wiesnekker überlegt. „Eine Mischung aus kräftig und zart.“ Das seien wohl die Attribute, nach denen gesucht werde, wenn eine Rolle mit ihm besetzt wird.

Damit könnt er recht haben. Vermutlich sind es aber eher die Adjektive „versoffen“ und „kaputt“. Wiesnekker ist versoffen und kaputt berühmt geworden – als Polizist Herbert Strähl im gleichnamigen Film. Abhängig von Amphetaminen, das Leben verpfuscht, versucht Strähl, den einen großen Fall zu lösen – und wird erst mal suspendiert. Für diese Rolle bekam Wiesnekker 2005 den Schweizer Filmpreis als bester Hauptdarsteller. Seitdem schreitet er versoffen und kaputt durch die Fernsehlandschaft.

Er war ein alkoholkranker Chirurg im Kölner „Tatort“, ein Kleinkrimineller in der ZDF-Reihe „Nachtschicht“, ein trockener Alkoholiker in dem Drama „Ich habe es dir nie erzählt“ und ein traumatisierter Kriegsheimkehrer – wieder im Kölner „Tatort“.

Über seine Rolle als Boris, der Schlimmste unter all den Bad Cops in dem Sat.1-Dreiteiler „Blackout“ von 2006 schrieb Spiegel Online, an der Figur würden so viel Blut-, Sperma- und Kokainreste kleben, dass sie „schwerlich als Sympathieträger durchgehen“ könne.

„Schubladendenken“

„Vieles sage ich mittlerweile ab“, sagt Wiesnekker heute über diese Rollen, „weil sie das Klischee bedienen.“ Das sei eben Schubladendenken. „Da erinnert sich halt einer: ’Der Wiesnekker ist doch so schön kaputt.‘ “

Zwei Angebote hat er allerdings nicht abgelehnt: Kommenden Sonntag spielt der 46-Jährige wieder in einem „Tatort“ mit. Diesmal im Bremer. Erneut steht er eher nicht auf der guten Seite. Und am heutigen Montag ist er der Böse im „Spreewaldkrimi – Mörderische Hitze“ (20.15 Uhr, ZDF). Der Psychokrimi ist nach dem Drehbuch von Thomas Kirchner und unter der Regie von Kai Wessel zu einer Roeland-Wiesnekker-Show geworden. „Mein Name ist Gottfried Richter. Ich bin 46 Jahre alt. Ich bin zum Mörder geworden“, spricht Wiesnekker aus dem Off, während ebendieser Gottfried Richter, den er verkörpert, in einem Verhörraum sitzt und seine Lebensgeschichte niederkritzelt: vom Nest an der deutsch-polnischen Grenze, „da gab es nur Sand, NVA und Kühe“, von der Facharbeiterlehre für Viehwirtschaft, vom Abhauen nach der Wende, von der Arbeit beim Zirkus und von seiner Liebe zu Irene, einer Sorbin.

Richter war zuvor blutverschmiert vor einen Lkw gelaufen. Die Polizei hatte ihn auf der Landstraße eingesammelt. Wie er nun im Verhörzimmer sitzt, mit seinem weißen Verband um den Kopf, unter dem Haare hervorgucken und auf die Stirn fallen, sieht er aus wie Björn Borg – oder zumindest so, wie Björn Borg wohl aussähe, hätte er fünf Jahre lang statt eines Tennisschlägers jedes ihm sich bietende Schnapsglas gehoben. „Ich hatte immer gehofft, dass mir so etwas wie Sie nie begegnet“, sagt der Kommissar zu Richter.

Ja, dieser Wiesnekker ist wirklich schön kaputt. Es ekelt einen an, es geht nah, und es ist besonders, Wiesnekker bei seinem Film, beim Niedergang dieses Gottfried Richter zu beobachten.

Wiesnekker als Woyzeck

Aber warum hat er diese Schubladenrolle angenommen? Kurz habe auch er gedacht: „Schon wieder so was?“ Doch letztlich sei das keine Frage gewesen, denn das Gebrochene der Figur sei im „Spreewaldkrimi“ nicht ausgestellt beschrieben. Die Figur habe Zeit, sich zu entwickeln. Es werde nichts klischeehaft erzählt. Das Buch sei wie ein Theaterstück, „eine Art ’Woyzeck‘ “, sagt Wiesnekker. Der Film ist mit seinen vielen Rückblenden und daran anknüpfenden Verstrebungen mit den aktuellen Ermittlungen ein einziges Was-hat-dich-bloß-so-ruiniert-Drama. „Diese Rolle anzunehmen, da habe ich nicht lange überlegt“, sagt Wiesnekker.

Und so bleibt es dabei: Der schweizerische Schauspieler mit niederländischen Wurzeln, der so breit grinsen kann, darf in seinen Rollen nur selten grinsen – und wenn, dann nur böse und feist, wie im nächsten „Tatort“.

Die Filme

Mo., 20.15 Uhr, ZDF, „Spreewaldkrimi – Mörderische Hitze“.

So., 20.15 Uhr, ARD, „Tatort“.

Eigentlich wäre Roeland Wiesnekker dafür prädestiniert, selbst einmal beim „Tatort“ auf die Seite der Guten zu wechseln, gehört ein Gehirntumor oder die Flasche Wodka unterm Waschbecken im Büro doch mittlerweile zur Grundausstattung. Doch gefragt, ob er nicht mal den Kommissar spielen wolle, wurde er noch nie, „nicht einmal vom Schweizer ’Tatort‘ “. Den würde der Zürcher aber sowieso erst spielen wollen, wenn diese Synchronisierung abgeschafft würde. Sonst sei ihm das zu bescheuert: „Keine Sau spricht hier so.“

Dann doch lieber weiter die Kaputten und Versoffenen.

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