Sprachkompetenz von SchülerInnen: Deutsch sechs, Französisch eins
Bei einer bundesweiten Untersuchung der Sprachkompetenz von SchülerInnen schneidet Berlin schlecht ab. Der SPD-Schulsenator sieht sich aber auf dem richtigen Weg.
Schlechte Ergebnisse in Bildungsvergleichstests bringen Jürgen Zöllner schon lange nicht mehr aus der Ruhe. Er sehe keinen Grund, jetzt "in Hektik zu verfallen", sagte der Bildungssenator am Mittwoch bei der Vorstellung der Ergebnisse der bundesweiten Bildungsstudie, mit der die Kultusministerkonferenz Sprachkompetenzen bei NeuntklässlerInnen testete.
Dabei schnitt Berlin bei der Pisa-Nachfolgestudie gewohnt schlecht ab und landete auf dem vorletzten Platz im Bundesländervergleich - gerahmt von den üblichen Nachbarn: den anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Besonders schlechte Ergebnisse erzielt Berlin bei dem auf Sprachkompetenz fokussierenden Test im Bereich Deutsch: Beim Lesen, auch beim Hörverstehen vorgelesener Texte erreichen Berliner SchülerInnen nur den vorletzten Platz. In Rechtschreibung sind sie immerhin etwas besser: Platz 13 und damit viertletzter auf der Länderliste. Und selbst wenn die Testergebnisse der Neuntklässler von Gymnasien isoliert betrachtet werden, steht Berlin nicht besser da: Auch die Bildungselite erreicht nicht mehr als den vorletzten Platz im Lesen und den letzten beim Zuhören.
Etwas besser sieht es im Englischen aus: Da sind Berlins SchülerInnen mit Platz 9 im Lese- und Platz 8 im Hörverstehen im unteren Mittelfeld. Und beim Vergleich der sechs Bundesländer, die Französisch als erste Fremdsprache anbieten, erzielt Berlin gar den Spitzenwert.
"Dieses Ergebnis kann nicht befriedigen", so Schulsenator Zöllners Resümee. Die "Veranlassung, jetzt ein neues Bildungsprogramm aufzulegen", sehe er aber nicht, betonte er. Mit der Einführung der Sekundarschule ab dem nächsten Schuljahr, dem Umbau vieler Grundschulen zu Ganztagsschulen, vorschulischer Sprachförderung und der Erhöhung des Personalschlüssels in Kitas sei Berlin bereits auf dem richtigen Weg. "Die organisatorischen Voraussetzungen für Verbesserungen sind gegeben", so der Senator. Nun müssten die "Rahmenbedingungen und Ressourcen, die man hat", auch genutzt werden: "Dann können wir sehen, wo das zum Erfolg führt und wo nicht."
Solche Analysen ließen die aktuellen Testergebnisse noch nicht zu, so Zöllner: Denn die jetzt getesteten Neuntklässler seien schlicht "noch nicht in den Genuss" dieser Maßnahmen der vergangenen Jahre gekommen.
Auch dem überdurchschnittlich schlechten Abschneiden türkeistämmiger SchülerInnen bei dem Vergleichstest will Zöllner nicht mit gezielten Fördermaßnahmen für diese Gruppe begegnen. "Es geht nicht um türkische Kinder", so der Bildungssenator: "Entwicklungsverzögerungen kommen bei Kindern aus allen Elternhäusern vor." Statt einzelne Gruppen zu fördern, müsse das gesamte Bildungssystem so gestaltet werden, "dass Entwicklungsunterschiede nicht zum Problem der Kinder werden", so der Senator. Dafür sei mit den jüngsten Reformen "die Basis geschaffen".
Die Opposition sieht das anders: Es müsse "endlich Schluss sein mit den Bildungsexperimenten an unseren Kindern", fordern etwa die CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer und Andreas Statzkowski. Die "rot-roten Schulexperimente" kämen anscheinend nicht bei den SchülerInnen an. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen Özcan Mutlu fordert eine bessere finanzielle Ausstattung von Schulen mit hohem Migrantenanteil oder in sozial benachteiligten Gebieten. Auch die FDP-Abgeordnete und Bildungspolitikerin Mieke Senftleben sieht in den Testergebnissen das "bildungspolitische Dilemma und Versagen von Bildungssenator Zöllner und seiner Verwaltung" verdeutlicht. Sie fordert mehr Personal für Schulen und Kitas, mehr Weiterbildung für Lehrer- und ErzieherInnen sowie die Einführung einer "verbindlichen vorschulischen Startklasse", denn "jedes Kind in Berlin muss bei Schuleintritt Deutsch sprechen und verstehen können", so Senftleben. Nur so wären gleiche Start- und Aufstiegschancen gegeben.
Zumindest in dem Punkt ist die Liberale mit Senator Zöllner einig. Der kündigte, "unabhängig von den Testergebnissen", an, nach der Sommerpause ein "Maßnahmenpaket zum Qualitätsmanagement" in Kitas und Schulen vorzustellen, bei dem auch die Frühförderung in der Kita auf dem Prüfstand stehen solle. Auch die Arbeit der Schulaufsicht sowie der Schulleitungen solle darin "kritisch hinterfragt" werden, so der Senator.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren