Sport und NS-Diktatur: Erkenntnisse über Pferde
Was Reitsport mit Auschwitz zu tun hat. Und was man wissen könnte, wenn man denn wollte.
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E in Gespräch über Pferde ist unschuldig. Die Tiere werden geritten, gestreichelt, gestriegelt, und es gibt Experten, die alles wissen über Kalt- und Warmblüter, über Trab und Galopp und Dressur. Pferde waren das Lebensthema von Richard Sternfeld und Gustav Rau. Sie waren bedeutende Pferdesport-Journalisten in Deutschland.
Richard Sternfeld wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Gustav Rau ist 1954 in Warendorf gestorben.
Sternfeld war Jude, stammte aus einer Bielefelder Kaufmannsfamilie, beschäftigte sich nach seinem Studium mit vielen zoologischen Themen, doch immer mehr kristallisierte sich die Pferdezucht als sein großes Thema heraus. Er wurde in den 1920er Jahren Redakteur von Vollblut. Zeitschrift zur Förderung der Beziehungen des Rennsports zur Vollblutzucht, später Chefredakteur von Sport-Welt, dem Organ der Galoppsportszene. 1933 trennten sich die deutschen Sportjournalisten sehr schnell von ihren jüdischen Kollegen. Nicht zuletzt wurden ja Posten frei. Sternfeld und seine Familie wurden immer schlimmer drangsaliert. Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb musste er leisten, 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert.
Gustav Rau, Hippologe 1933
Ein SS-Gestüt in Auschwitz
Gustav Rau stammte aus einer Offiziersfamilie, auch er war Redakteur der Sport-Welt. Nach 1933 forderte er die „Reinheit des Blutes“ nicht nur für Pferde, sondern auch für Züchter. „Gemischtstämmige Bauern und solche, die ihre Scholle wechselten, gehörten nie in die Elite der Pferdezüchter“, schrieb er. Die Historikerin Nele Fahnenbruck hat erst vor wenigen Jahren über Rau geforscht. 1941 zog Gustav Rau gemeinsam mit dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, und Hitlers Schwager Hermann Fegelein im KZ Auschwitz eine Holsteiner Zucht auf. Geritten wurden die Pferde von Angehörigen der Reiter-SS.
Nach Gustav Rau sind heute noch Straßen benannt, die Deutsche Reiterliche Vereinigung vergibt die Gustav-Rau-Medaille. 2020 sendete der Saarländische Rundfunk ein Porträt. „Es ist Gustav Rau zu verdanken, dass die deutschen Reiter heute zur Weltspitze gehören“, heißt es anerkennend.
In den Erinnerungen eines anderen Sportjournalisten, Hans Borowik, berichtet dieser, wie 1943 Kollegen in einem Berliner Weinlokal zusammensaßen und einer berichtete, dass Sternfeld in Auschwitz zu Tode gekommen sei. Von Bedauern wird berichtet, aber so sei es halt, der Kollege sei ja Jude gewesen. Offiziell gelten die Todesumstände Sternfelds bis heute als ungeklärt. Das Berliner Amtsgericht hat ihn und seine Frau Lotte 1952 „für tot erklärt“.
Die lustige Berliner Weinlokalrunde wusste 1943 mehr, als Deutschland nach 1945 wissen wollte. Alles war bekannt.
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