Der Jugend einen Korb gegeben

Das Sportangebot der Turngemeinde Berlin im Görlitzer Park war ein Leuchtturmprojekt. Jung und Alt nutzten den Platz. Jetzt hat der Verein hingeschmissen. Der Bezirk wäscht seine Hände in Unschuld. Aber was ist wirklich passiert?

Treffpunkt Basketballkorb   Foto: Zoonar/imago

Von Plutonia Plarre

Außer Betrieb. Das rot-weiß umrandete Schild am Sportkäfig im Görlitzer Park mutet wie ein Schlag ins Gesicht an. Hinter den Gitterstäben: ein Basketballplatz, ein Fußballplatz, ein Tischtenniszelt, eine Sandfläche für Volleyball – alles zu. Und das in einem dicht besiedelten Kiez in Friedrichshain-Kreuzberg, in dem es kaum öffentliche Sportsttätengibt. Anwohner Lorenz Rollhäuser ist fassungslos. Mit großer Begeisterung sei das Angebot angenommen worden, sagt der 70-Jährige, der lange auch im Parkrat des Görli engagiert war. Nicht nur für Kinder und Jugendlichen sei der Sportkäfig ein Treffpunkt gewesen. Was ist passiert?

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und die Turngemeinde in Berlin (TiB), die das Projekt „SpOrt365 im Görlitzer Park“ betrieben hat, schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Klar ist aber das: Es gab Streit über ein Zelt in Leichtbauweise, das die TIB auf dem Gelände temporär errichten wollte. Die Ausmaße: 32 mal 19 Meter. Kommt nicht infrage, sagte das bezirkliche Amt für Umwelt und Naturschutz.

Seit Ende Februar ist das Gelände geschlossen. Es war „ein Leuchtturmprojekt“, sagte TiB Vorsitzende Johannes Russ am Montag zur taz. In dem Käfig, wo sich die Sportanlage befindet, verrichteten früher Hunde ihre Notdurft, am Gitter hängten Wohnungslose ihre Schlafsäcke zum Trocknen. Im November 2021 kam der Pachtvertrag zwischen Bezirk und TiB zur Nutzung des Geländes zustande. In der Kooperationsvereinbarung versprach der TiB eine niedrigschwellige Nutzung des Geländes für die Öffentlichkeit. 50 Prozent öffentliche Nutzung, 50 Prozent für Sportvereine. „Kostenlosen Sport unter Bedingung einer temporären gedeckten Sportanlage“, fasst Russ die Sichtweise des TiB zusammen.

Das Zelt sei für den Vereinssport angesichts der Hallenknappheit unabdingbar. Angesichts der Tatsache, dass der Bezirk das Zelt verweigere, sei der TiB gezwungen gewesen, den Vertrag außerordentlich und fristlos zu kündigen.

Auch das Bezirksamt war von der taz am Montag um eine Stellungnahme gebeten worden. Die schriftliche Antwort deckte sich dann weitestgehend mit der Erklärung zu der Schließung, die der Bezirk bereits auf seiner Homepage veröffentlicht hatte. Leider habe der TiB „sehr kurzfristig und ohne Vorankündigung“ die Zusammenarbeit und Verträge zu dem Sportangebot im Görlitzer Park gekündigt, heißt es da.

Unzutreffend sei, wenn der TiB behaupte, der Bezirk habe die Errichtung eines Sportzeltes zunächst zugesagt und dann verweigert. „Diese Behauptung stimmt nicht“, so das Bezirksamt wörtlich. Ein solches Zelt sei nicht genehmigungsfähig, das „wurde zuvor stets durch den Bezirk kommuniziert“.

Aussage gegen Aussage? TiB Vorsitzender Russ weist das mit Entschiedenheit zurück. „Wir haben mit dem Bezirksamt Ende 2021 einen Pachtvertrag für die Errichtung eines Zeltes geschlossen“. Schwarz auf weiß habe er das. Aber dann hätten die zuständigen Ämter den TiB „auflaufen lassen“, als man die förmliche Genehmigung habe einholen wollen. Erst Ende Januar 2023 habe den TIB Vorstand „über Umwege“ eine E-Mail des Leiters des Umwelt- und Naturschutzamtes erreicht. In der Mail, die an Dritte gerichtet gewesen sei, habe es geheißen: Es könne und dürfe kein Zelt auf diesem Gelände geben.

Diese Nachricht sei für den TiB vollkommen unvorbereitet gekommen, sagt Russ. Noch im September 2022 habe er sich um ein Gespräch mit dem Amtsleiter des Umweltamtes bemüht. In dem Schreiben habe er auch darauf hingewiesen, dass sich TiB ohne gedeckte Sportstätte zur Kündigung des Vertrages gezwungen sehe.

Die dortigen Basketballkörbe seien die besten im ganzen Bezirk, sagt ein Anwohner

Das Umwelt- und Naturschutzamt habe ihm nicht einmal geantwortet. Russ betont das mit Blick auf die Behauptung des Bezirksamts, die Kündigung des TiB sei nicht vorhersehbar gewesen. Angesicht der Erfolgsgeschichte sei es auch für ihn eine sehr bitter. Ganz habe er die Hoffung noch nicht aufgegeben, dass sich doch noch eine Lösung finde.

Das Sportangebot habe den Kiez extrem bereichert, sagt Anwohner Rollhäuser. Die Basketballkörbe seien die besten im ganzen Bezirk. Nun müssten die Kids wieder über den Zaun der OSZ Handel klettern, und auf dem Sportplatz der Schule zu spielen. Menschen, die sonst kein Wort miteinander gewechselt hätten, hätten an der Tischtennisplatte gestanden, sagt Rollhäuser. „Extrem gute Platten, keine Betonplatten“. Er selbst habe da auch gern gestanden, und auch gegen Zehn- Elf- Zwölfjährige den Ball über die Platte gedroschen. Die seien ganz allein dahingekommen, weil sie gewusst hätten, „da findet man immer jemanden“. Der Platz sei zudem immer von Leuten des TiB beaufsichtig gewesen.

Wie diese Schließung damit vereinbar sei, dass nach den Silvesterkrawallen große Geldmittel aufgewendet werden sollen, um Kinder- und Jugendliche einer sinnvollen Beschäftigung zuzuführen – auch das hatte die taz das Bezirksamt gefragt. Die Antwort, wortwörtlich aus der Erklärung herauskopiert, die auf der von der Homepage steht: Der Bezirk werde sich schnellstmöglichst um ein Ersatzangebot bemühen, sobald der TiB die Fläche geräumt habe. Ein genaues Datum könne der Bezirk noch nicht nennen. „Auch wir wurden von der spontanen Kündigung überrascht.“ Der Weg bis zu einem neuen kostenlosen Angebot werde leider einige Zeit in Anspruch nehmen.