Sponsoring im Unterricht: Schleichwerbung für Schüler
Der Stiftung Lesen wird vorgeworfen Unterrichtsmaterialien mit firmenfreundlichen Inhalten verschickt zu haben. Ein Lehrerverband erwägt, die Mitgliedschaft zu kündigen.
BERLIN taz | "Wusstet Ihr dass die Deutsche Bahn einer der größten Arbeitgeber und Ausbilder in Deutschland ist? Auch was Technik und Umweltschutz angeht, macht das Unternehmen stetig Fortschritte." Diese einleitenden Sätze lesen Schüler in einer Broschüre, welche über die Stiftung Lesen als Unterrichtsmaterial an Schulen verschickt wird. Über 50.000 Stück wurden im Jahre 2009 gedruckt, zum Großteil finanziert vom Projektpartner Deutsche Bahn.
Nun macht die "Stiftung Lesen" eigentlich keine Öffentlichkeitsarbeit für Unternehmen, sondern wurde 1988 zum Zweck gegründet die Lesekultur in allen Bevölkerungskreisen zu fördern, vorrangig bei Kinder aus sozial benachteiligten Familien. "Empfohlen von der Stiftung Lesen" ist ein Gütesiegel, das einer Unbedenklichkeitserklärung gleich kommt.
Schirmherr ist traditionell der Bundespräsident, das Grußwort im letzten Jahresbericht schrieb die Bundeskanzlerin. 90 Prozent des 5,5 Millionen hohen Etats stammen aber aus privaten Quellen. Wie das ARD-Magazin "Report aus Mainz" am Montag berichtete, ermöglicht die Stiftung den Unternehmen die Unterrichtsmaterialien finanzieren, im Gegenzug ihre Werbebotschaften an die Kinder und Jugendlichen zu bringen. So sucht man in der Bahn-Broschüre kritische Aspekte vergebens.
In einer Broschüre und einem Themenheft "Vom Tauschhandel zum Euro", die zusammen mit der Mainzer Volksbank entstanden, müssen die Schüler ihr Wissen zum Thema etwa dergestalt unter Beweis stellen, indem sie die Frage beantworten "Was bedeutet die Abkürzung MVB." Sie erfahren auch, dass sie Geld, welches nicht mehr in ihr Sparschwein passt, zur Bank bringen können und dort Zinsen erhalten. Ber der MVB gibt es außerdem noch "Fische" die gegen Geschenke getauscht werden können, lernen sie.
Nähe zu Unternehmen
Der Vorsitzende des Philologenverbandes, Gymnasialvertreter, Heinz-Peter Meidinger wirft der Stiftung daher verdeckte Schleichwerbung vor. Der taz sagte Meidinger: "Da wird Vertrauen ausgenutzt." Zwar sehe er die Arbeit der Stiftung nicht grundsätzlich diskredititert, doch fehle bei Projektpartnerschaften zum Teil die kritische Distanz. Aufgestoßen hatte dem Geschichtslehrer Meidinger, dass über die Stiftung Lesen, Broschüren verschickt werden, die aktuell anlaufende Filme thematisierten. "Der Nutzen für den Unterricht entspricht etwa 10 Prozent, Hauptziel ist es, Kinder ins Kino zu bringen." Bezahlt werden die Broschüren von den Filmverleihern.
Die Nähe zu den Unternehmen spiegelt sich auch im Vorstand wieder, so ist Bahn-Chef Rüdiger Grube auch Mitglied im Vorstand der Stiftung. Doch auch der Verband Bildung und Erziehung, der zweitgrößte deutsche Lehrerverband, ist dort vertreten. "Es darf nicht sein dass die Stiftung von Unternehmen instrumentalisiert wird, und das ist hier eindeutig der Fall", sagte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann zur taz. Der VBE werde jetzt das Gespräch mit der Geschäftsführung suchen. "Sollte diese nicht grundsätzlich Abstand davon nehmen, werden wir unsere Mitgliedschaft beenden", kündigte Beckmann an.
Ein Sprecher der Stiftung sagte, man nehme die Vorwürfe sehr ernst. Die Broschüre der Bahn ist inzwischen jedenfalls nicht mehr online verfügbar.
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