Spitzenteam im Keller: Selbstkritik bleibt Mangelware

Werder Bremen verliert gegen den 1. FC Kaiserslautern 1:2 und rutscht auf den 14. Platz. Trainer Thomas Schaaf verweist auf den dauerverletzten Stürmer Claudio Pizarro, sieht keine eigenen Planungsdefizite.

Schwerst frustriert: Werder-Torwart Tim Wiese nach der 2:1-Niederlage gegen Kaiserslautern. Bild: dpa

In der 92. Minute wachte das Bremer Publikum noch einmal auf. Es gab den letzten Eckball im Spiel gegen Kaiserslautern, und mit langen Schritten stürmte Werders Torwart in den gegnerischen Strafraum. "Wiiiiiiiiiese!" schallte es am Samstag Tim Wiese entgegen: jenem Mann, den die Zuschauer als einzigen Bremer noch torgefährlich fanden. Weil er der einzige war, der durch Leistung und Körpersprache zu erkennen gab, dass er wusste, wo Werder Bremen am Jahresende 2010 steckt: tief im Abstiegskampf.

"Wir spielen nicht gegen den Abstieg", verkündete Mittelfeldspieler Aaron Hunt noch nach dem Absturz auf den 14. Tabellenplatz - und einer Leistung, mit der in der Rückrunde nicht annähernd 19 Punkte zu holen sein werden. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht weiter da unten reinrutschen", sagte Kollege Marko Marin - und offenbarte immerhin ein gewisses Problembewusstsein.

Gibt die fehlende Standfestigkeit einiger Werder-Spieler schon bei normalen Bodenverhältnissen oft Rätsel auf, so wurde das Spiel am Samstag zu einer Schlitterpartie. Bereits nach 23 Sekunden gewährte der ausrutschende Per Mertesacker Srdjan Lakic freies Geleit zum frühesten Tor der Saison. Und als Torsten Frings sich in der 52. Minute mit dem Ball am Fuß am eigenen Strafraum auf den Hosenboden setzte, schlug der kroatische Torjäger erneut zu.

Bei Werder ist derzeit mehr ins Rutschen geraten als einzelne Spieler oder der Tabellenplatz. Während Trainer Thomas Schaaf auch jetzt nicht von der bekannten Marschroute "Arbeit, Arbeit, Arbeit" abweichen wollte, legte Klaus Allofs erstmals den Finger in die Wunde. "Wir lassen uns zu sehr von anderen Dingen ablenken", monierte der Club-Chef, der als einziger das Wort "Abstieg" aussprach. "Die einen reden über die Fortsetzung ihrer Karriere, andere über dies und das", sagte er. "Das hilft der Mannschaft nicht."

Im Fokus der Kritik steht Kapitän Torsten Frings, der kürzlich öffentlich über sein Karriereende nachgedacht hatte. Aber auch der nachrückenden Generation um Hunt und Marin traut Allofs im Moment wohl nicht zu, das Ruder in die Hand zu nehmen. "Wir haben viele Spieler, die ihren Beruf noch nicht zu Ende gelernt haben", so sein Fazit der Hinrunde.

Die fällige Selbstkritik zur Zusammenstellung des Kaders blieb Allofs aber schuldig. Denn sein ständiger Hinweis darauf, dass Claudio Pizarro, der auch gegen Kaiserslautern wieder passen musste und "mehr auf der Pritsche war als im Kreise der Mannschaft", richtet sich letztlich gegen die sportliche Leitung. Denn Pizarros Verletzungsanfälligkeit war vor der Saison genauso bekannt wie Almeidas fehlende Konstanz und Arnautovic Unberechenbarkeit. Man hätte also wissen können, wie wichtig der vierte Stürmer wird.

Der heißt bei Werder Sandro Wagner und hat in seinen bislang 10 Einsätzen mit fast keiner Aktion seine Bundesligatauglichkeit nachgewiesen. Im Gegenteil - seine bisherigen Einwechslungen nach Rückständen kamen Offenbarungseiden gleich - und der erfolgte gegen Kaiserslautern bereits nach 25 Minuten. Am Samstag vergab Wagner in der Schlussphase nicht nur zwei sichere Torchancen in seiner Spezialdisziplin "Kopfball.": Kurz vor Schluss holte er sich mit einem Foul an der Mittellinie auch noch die gelb-rote Karte ab.

Umso fahrlässiger scheint es, wenn Klaus Allofs jetzt mit Hugo Almeida ausgerechnet seinen erfolgreichsten Torjäger der Hinrunde öffentlich ins Schaufenster stellt. "Wenn in der Winterpause Anfragen für ihn kommen, müssen wir darüber nachdenken", hat er gesagt. Im Sommer könnte der Portugiese zwar ablösefrei gehen. Wenn die Gegner dann Osnabrück und Paderborn heißen, wäre das allerdings das kleinste Problem.

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