Spitzenspiel in der Fußball-Bundesliga: Gier nach Erfolg
Granit Xhaka möchte mit Leverkusen nach Saisonende vorn landen. Am Freitag kommt es zum Gipfeltreffen mit dem FC Bayern München.
So harmonisch wie die Sommerwochen in seinem neuen Leben bei Bayer Leverkusen ist die Länderspielpause für Granit Xhaka nicht verlaufen. Der Kapitän des Schweizer Nationalteams hat nach einem 2:2 im Kosovo die Arbeitshaltung seines Teams angemahnt: „So, wie wir gespielt haben, sah das die ganze Woche aus“, sagte er.
Das wurde als Kritik an Trainer Murat Yakin verstanden und machte eine Aussprache nötig; die Kunst der Diplomatie gehörte noch nie zu den Stärken dieses Fußballers. Aber vielleicht hat Xhaka etwas Reibung gebrauchen können vorm ersten echten Topspiel der jungen Bundesligasaison, das er am Freitagabend mit seinen Leverkusenern beim FC Bayern bestreiten wird (20.30 Uhr; DAZN).
Der 30 Jahre alte Mittelfeldspieler ist ein Typ, der über die kostbare Gabe verfügt, durch eine klare Haltung besondere Energien in seinen Teams freizusetzen. „Es gibt nur wenige Spieler, die wie er dank einer herausragenden Mentalität und Persönlichkeit eine Mannschaft so überzeugend führen können“, sagt Sportdirektor Simon Rolfes.
Trainer Xabi Alonso ist von einer ähnlich tiefen Gier nach Erfolg erfüllt, in Kombination mit Xhaka ist nun eine Konstellation entstanden, die ein Vorhaben zur Vollendung bringen könnte: die Abschaltung der Leverkusener Neigung zur Bequemlichkeit.
Enge Familienbande
Warum Xhaka als Kapitän des FC Arsenal nach seiner besten Saison in der Premier League nach Leverkusen wollte, wo er nicht einmal in der Champions League spielen kann, ist schnell erzählt: Der Schweizer hat sich nie heimisch gefühlt in London, wie der zweifache Vater in einem Interview im Jahrbuch seines neuen Klubs erzählt: „Meine Frau und ich hatten zum Beispiel unsere Familien nicht bei uns, auch keine engen Freunde.“
Im Rheinland ist dieser Rückhalt vorhanden. Xhakas Frau Leonita arbeitete früher am Empfang im Borussia-Park, während Granit in Gladbach spielte, in dieser Zeit wurden sie ein Paar. Leonitas Familie lebt in der Region und hat ebenso wie Granit Wurzeln im Kosovo. Solche Bindungen bedeuten dem Fußballprofi viel, was wohl auch mit der Familiengeschichte zu tun hat.
Vater Ragip protestierte in den 1980er Jahren als Student der Uni Prishtina gegen das kommunistische Regime in Jugoslawien und wurde inhaftiert. Im Schnellverfahren verhängte ein Gericht eine sechsjährige Gefängnisstrafe, Ragip erlebte Brutalität und Willkür. „Als sein Sohn berührt mich die Geschichte sehr tief“, sagte Xhaka einmal. Granits Mutter Eli wartete dreieinhalb Jahre auf Ragip, den sie erst wenige Wochen kannte.
Der Vater zeigte ihnen, dass sie stark sein müssen
Nach dessen plötzlicher Freilassung wanderte das junge Paar in die Schweiz aus, wo zunächst der ältere Sohn Taulant zur Welt kam und dann Granit. Beide sind heute Fußballprofis. „Wir hatten dieses Idol, dieses Vorbild, das uns lehrte, dass man stark sein muss, um etwas zu erreichen“, sagte Granit, dessen zwei Jahre älterer Bruder beim FC Basel spielt.
Vorm Hintergrund dieser Vergangenheit wird verständlich, dass die Xhakas politischere Menschen sind als die meisten anderen Fußballer. Wobei die Sache noch eine weitere Dimension hat: Der Vater hat nicht einfach nur als Jugoslawe gegen die kommunistische Regierung in Belgrad protestiert, er ist auch Kosovo-Albaner und damit verstrickt in die komplexe Konstellation der Nationen und Völker auf dem Balkan.
Taulant spielt für Albanien, Granit für die Schweiz. All das schwang mit, als Granit während der WM 2018 in einer Partie gegen Serbien mit den Händen einen Doppeladler formte, der die Flagge Albaniens ziert. Damit löste er eine bis ins Parlament hineinreichende Debatte über die Schweizer Gesellschaft und die Migrationspolitik aus. Das muss man erst mal aushalten als Sportler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen