Spitzelskandal bei der Telekom: Der Auftrag kam von ganz oben
Wer trägt die Verantwortung für den Telekom-Abhörskandal? Die Beteiligten mauern. Klar scheint nur: Exvorstandschef Ricke soll die Suche nach undichten Stellen beauftragt haben.
BONN taz Das Fax kam kurz vor Redaktionsschluss. Ralph Kühn, der Chef der Network Deutschland GmbH, sei nur unter ganz bestimmten Bedingungen zu einem Statement zur Telekom-Bespitzelungsaffäre bereit, war darin zu lesen. Sein Name dürfe weder jetzt noch später genannt werden, nicht einmal der Name seiner Firma. Stattdessen seien "neutrale Formulierungen" zu verwenden wie: "der Geschäftsführer der von der Telekom mit der statistischen Aufbereitung der Daten beauftragte Unternehmensberatung", heißt es in dem Schreiben von Mitte vergangener Woche. Kühn verlangte eine entsprechende "verbindliche Vereinbarung".
Der Versuch war untauglich: Inzwischen kennen alle den Namen Kühns. Schließlich hat er ausgelöst, was von manchen schon als "Telekomgate" bezeichnet wird. Sein Schreiben an die Telekom-Spitze, in dem der 52-Jährige die Begleichung offener Rechnungen einforderte, veranlasste Konzernchef René Obermann, den Gang zur Staatsanwaltschaft anzutreten.
Denn Kühns Firma diente der Telekom für ihre Spitzelattacken. Sie wertete die internen Verbindungsdaten von Handy- und Festnetzanschlüssen aus, die Europas größter Telekommunikationskonzern zur Ausspähung der Indiskretion verdächtiger Aufsichtsräte und unliebsamer Journalisten an die kleine Klitsche des früheren Wirtschaftsprüfers in Berlin-Charlottenburg geliefert hatte.
Doch Kühn war nur ein Rädchen im Big-Brother-System der Telekom. Noch ist nicht geklärt, wer die Anweisung zur illegalen Überwachung gegeben hat. Erschwert werden die staatsanwaltlichen Ermittlungen unter anderem dadurch, dass der ehemalige Sicherheitschef der Telekom, Klaus Trzeschan, nach eigenen Angaben Mitte 2007 alle Dokumente und Daten zu den Schnüffelaktionen vernichtet hat.
Aber immerhin soll Trzeschan laut einem Bericht des Magazins Spiegel in einer konzerninternen Anhörung die früheren Chefs von Aufsichtsrat und Vorstand, Klaus Zumwinkel und Kai-Uwe Ricke, schwer belastet haben. Danach sollen diese die Ermittlungsaufträge erteilt haben. Allerdings sollen sie später nicht mehr über die konkreten Modalitäten der Ausführung unterrichtet worden sein. Beide wiesen die Verantwortung für die Bespitzelung denn auch zurück.
Inzwischen wird in der Bonner Konzernzentrale befürchtet, dass der Skandal noch weit größere Ausmaße annimmt. Es besteht der Verdacht, dass die Telekom ihr Spionage-Know-how auch an andere Unternehmen weitergegeben haben könnte. So berichtet der Spiegel unter Berufung auf Insider, dass die Sicherheitsabteilungen von Telekom, Post und Lufthansa ein informelles Netzwerk gepflegt und sich für Schnüffeldienste allesamt der Wirtschaftsdetektei Control Risks bedient hätten. Diese soll im Jahr 2000 den Auftrag zur Bespitzelung eines Reporters der Financial Times Deutschland erteilt haben. Die Firma hat all ihre Dokumente der Staatsanwaltschaft übergeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!