Spionagevorwurf in Tunesien: UN-Experte Kartas wieder frei
Er ist wieder auf freiem Fuß, doch die tunesische Staatsanwaltschaft wirft dem Deutsch-Tunesier Moncef Kartas weiter Spionage vor.
TUNIS taz | Der UN-Waffenexperte Moncef Kartas ist in Tunesien freigelassen worden, doch der Gerichtsprozess gegen ihn läuft weiter. Der Deutsch-Tunesier ist Mitglied eines Expertenpanels, das für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über das Waffenembargo gegen Libyen wacht. Kartas war nach seiner Einreise nach Tunesien am 26. März festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Spionage und Gefährdung der nationalen Sicherheit vor.
Deutsche Diplomaten sowie der UN-Generalsekretär António Guterres hatten sich für seine Freilassung ausgesprochen. Zuletzt pochten die Vereinten Nationen am Montag auf die Immunität von Kartas, die der Sprecher der tunesischen Antiterrorbehörde jedoch nicht gegeben sah. Kartas sei privat mit seinem tunesischen Pass eingereist, so Sofian Sliti gegenüber der taz. Es würde gegen einen normalen tunesischen Staatsbürger ermittelt. Die UN hatten dem tunesischen Außenministerium die Einreise von Kartas allerdings angekündigt.
Die Position Deutschlands, das zurzeit den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates und seines Sanktionskomitees innehat, machte der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen zuletzt noch einmal deutlich: Die Überwachung des Waffenembargos sei für Libyen von zentraler Bedeutung und die Reputation der Experten müsse wiederhergestellt werden.
Seit seiner Freilassung am Dienstag wird Kartas von einem UN-Team betreut, denn die von einer Gerichtskammer gefällte Entscheidung kann von dem zuständigen Richter wieder aufgehoben werden. Die Staatsanwaltschaft wirft Kartas vor, eine Mappe mit den Standorten der tunesischen Nationalgarde und ein Gerät zur Kontrolle von zivilen und militärischen Flugbewegungen besessen zu haben.
Nach Angaben seiner Anwältin Sarah Zaafrani versuchten Kartas und andere UN-Experten, mit einem nur 30 Euro teuren, sogenannten RTL-SDR-Empfänger, von privaten Firmen gecharterte Transportmaschinen zu identifizieren, die zuvor anhand von Satellitenbildern auf libyschen Flughäfen entdeckt wurden.
Thema in TV-Talkshow
In einer Talkshow vom 18. April wurde der Fall für den Machtkampf zwischen dem tunesischen Präsidenten und dem Regierungschef genutzt. Ein Sicherheitsexperte warf dem Sicherheitsapparat des Präsidentenpalastes vor, sich abhören zu lassen. Dieser Vorwurf taucht in der Anklageschrift, die die taz einsehen konnte, jedoch nicht auf.
Anwältin Zaafrani glaubt, dass die Anschuldigungen gegen Kartas politisch motiviert sind. Das Expertenpanel hat seine Arbeit in Tunesien und Libyen mittlerweile eingestellt, da die Vereinten Nationen um die Sicherheit der Mitarbeiter fürchteten.
Leser*innenkommentare
DiMa
Nochmals zur Klarstellung (nachzulesen für jeden): Die UN Immunität gilt niemals für Staatsangehörige des eigenen Landes. Das Pochen auf die Immunität ist daher vollkommen unbegründet.