Spionageprozess: Tauziehen um Deutsche in Nigeria
Zwei festgenommene Filmemacher, Florian Opitz und Andy Lehmann, kommen auf Kaution frei, müssen aber weiter mit Spionageverfahren rechnen
LAGOS taz Auf dem Empfang der Lagoser Außenstelle der deutschen Botschaft in Nigeria am vergangenen Freitagabend taugte der Spionageprozess gegen zwei deutsche Filmemacher nur bedingt als Gesprächsstoff. Vielleicht lag es daran, dass soeben gute Nachrichten aus dem Gericht die Situation ein wenig entspannt hatten: Die Richterin Binta Murtala-Nyako gewährte Florian Opitz und Andy Lehmann Kaution - unter der Auflage, dass zwei deutsche Diplomaten persönlich für die Kaution bürgen. Trotzdem will Nigerias Justiz sichergehen, dass sie weiter Zugriff auf die beiden Filmemacher hat. Weniger Vertrauen seitens der nigerianischen Justiz besteht in die beiden anderen: Judith Asuni, eine 40-jährige in Nigeria verheiratete US-Amerikanerin, die angeblich den beiden Deutschen logistische Hilfe gab, und ein Nigerianer. Der "Federal High Court" in der Hauptstadt Abuja ließ diese beiden in Gewahrsam des Staatssicherheitsdienstes SSS. Nach Angaben des Staatsanwaltes kam dieser unerwartet in den Besitz weiterer Dokumente, die eine gesonderte Behandlung der beiden erfordern.
Die vier waren Anfang September in der Ölstadt Warri im instabilen Niger-Delta verhaftet worden, während sie bewaffnete Rebellen filmten. Eingereist waren die Deutschen, um einen Dokumentarfilm über den Krieg in Nigerias Ölgebieten zu drehen. Nigerianische Zeitungen berichten, dass der Staat die vier nun wegen Verschwörung und Spionage zur Rechenschaft ziehen will. Es soll eine Anklageschrift mit insgesamt sieben Punkten geben. Diese sollte gestern vor Gericht verlesen werden. Unter anderem wird den beiden Deutschen vorgeworfen, sie hätten falsche Angaben bei der nigerianischen Botschaft in Berlin gemacht, um ein Touristenvisum zu erhalten. So hätten sie sich als Wissenschaftler ausgegeben, obwohl sie Filmemacher seien.
Unter anderem sollen sie ferner Videos und Fotos von Pipelines, Raffinerien, Erdöl-Installationen, Schiffen und anderen Einrichtungen der nigerianischen Ölindustrie im umkämpften Niger-Flussdelta aufgenommen haben. Das ist nach dem nigerianischen "Official Secrets Acts" aus dem Jahr 1990 verboten. Laut BBC kann für solche Vergehen eine Strafe bis zu 14 Jahren Haft verhängt werden. Wenn es zu einer Anklage nach diesem Gesetz kommt, dann muss sich der nigerianische Generalbundesanwalt einschalten. Der Fall hätte spätestens dann eine politische Dimension.
Fraglich ist, ob Nigeria das will. Ein politischer Berater des im Mai aus dem Amt geschiedenen Präsidenten Olusegun Obasanjo sagte der taz, er gehe davon aus, dass die beiden Deutschen bald entlastet werden.
In diplomatischen Kreisen herrscht ein gewisses Unverständnis für die nigerianische Gangart. Man sieht einen Widerspruch zwischen einem restriktiven Geheimhaltungsgesetz aus Militärdiktaturzeiten und dem jüngsten Versuch, ein Informationsfreiheitsgesetz zu verabschieden. HAKEEM JIMO
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