: Spiel nicht mit dem Schmuddel-Harry
■ Sonst läuft „Todesspiel“, der „Dirty Harry“ Nr. 5, womöglich noch länger im EUROPA / Blut, Gangster(?)-Tod, Schock und Action-Schlampereien im Fünf-Minuten-Takt
Es beginnt, wie es beginnen muß. Harry Callahan, der schmutzige, verfolgt ein Auto durch die nächtlichen Straßen von San Francisco und wird selbst verfolgt. Unvermittelt findet sich der steingesichtige Bulle in einer trüben Gegend eingekeilt, und schon geht es in bester Hollywood-Tradition los wie auf einem Truppenübungsplatz. MP-Salven in GSG 9 Manier durchsieben so etwa alles, was die Kamera einfangen kann, nur eben Clint Eastwood nicht. Das Todesspiel, der mittlerweile fünfte Film der Dirty Harry Reihe, wäre sonst schon nach wenigen Minuten zu Ende. Also überfährt der Märchen-Heroe kurzerhand den ersten Kriminellen, und die beiden anderen sind drehbuchadequat dumm genug, um in Harrys 44er Magnum, Modell 29, zu schielen. Zwei eklige Blutkrater im Gesicht zeugen von der treffsicheren Hand
des Übermenschen mit der Behördenplakette, und fertig ist die Einführung in eine neue Kinoproduktion.
Buddy Van Horn hat diesmal die Verantwortung für die dummdreiste Verarschung des zahlenden Publikums übernommen, ein Name, den auch Filminterressierte schnell wieder vergessen dürfen. Mehr als museale Kost für Gewaltfetischisten mit Hang zum optischen Dünnschiß hat er nicht zu bieten, über seine wahren Absichten sollte lieber gar nicht erst nachgedacht werden. Das Strickmuster dieser schlampigen Produktion hängt meterweit zum Hals heraus: Ein Aufhänger, hier ein Spiel, bei dem zu erwartende Todesfälle erraten werden müssen, muß für intervallartige Actionsequenzen herhalten, damit uns in den Kinosesseln vor lauter Dummheit auf der Leinwand nicht die schlaftrunke
nen Augen zuklappen. In einem Chinalokal (siehe Bild) spielt sich Clinty mal wieder als Retter in höchster Not auf und ballert relaxed im Sitzen einige böse Räuber über den Haufen.
Alles legal natürlich, und hier liegt auch der perfide moralische Hund solcher Schundstreifen begraben. Der mittlerweile arg in die Jahre gekommene Ex-Django schlachtet in Rambo-Manier mindestens doppelt soviele Männer ab, wie es Morde von der Gangsterseite gibt. Ein staatlicher Overkill mit Euphorie-Garantie im Fünf-Minuten-Takt soll das geneigte Publikum bei Laune halten und dieses sattsam bekannte klammheimliche Gefühl bescheren. Ethisch unanfechtbar, natürlich, es geht schließlich alles in legalistischen Bahnen.
Der cineastische Clou eines schizophrenen Mörders im blutgeilen Delirium der Überidentifikation mit einem Idol erweist sich als zwanzigster Aufguß eines immer wiederkehrenden Schemas, und auch der billigste Schockeffekt ist der polizeilichen Sühne nicht zu schade. Der Killer mit dem irren Blick wird von einer Riesenharpune an die Wand genagelt.
Lange Messer, viel Blut, eine mausgesichtige Journalistin und zuckende Körper. Wenn Sie das sehen wollen, ab ins Kino, Sie werden schon sehen, was Sie davon haben.
Jürgen Francke
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