„Spiegel“-Chefredakteur Büchner: Warten auf den Abgang
Viele Mitarbeiter warten nur noch auf das Ende von Büchner als „Spiegel“-Chefredakteur. Aber ist der Machtkampf schon verloren für den Boss?
BERLIN taz | „Er hat den Bogen endgültig überspannt“, sagt ein Spiegel-Redakteur – und meint damit Wolfgang Büchners Anfang dieser Woche gescheiterten Versuch, die beiden Ressortleiter Armin Mahler (Wirtschaft) und Lothar Gorris (Kultur) loszuwerden. Büchner soll ihnen Abfindungsangebote vorgelegt und geraten haben, doch erstmal in Urlaub zu fahren.
Mahler und Gorris erschienen am Tag nach dem Angebot auf einer Redaktionskonferenz. Klares Signal: Kein Urlaub, kein Abgang.
Und auch der Betriebsrat schaltete sich ein: „Mit Empörung hat der Betriebsrat den Versuch des Hauses zur Kenntnis genommen, zwei Ressortleiter aus ihrem Amt zu drängen“, hieß es in einem Schreiben an die Spiegel-Mitarbeiter: „Abgesehen davon, dass sich die beiden Ressortleiter nichts zu Schulden kommen lassen haben, gibt es für dieses Vorgehen keinerlei arbeitsrechtliche Berechtigung.“ Der Betriebsrat kritisiert in dem Brief, dass die Ressortleiter nicht nur ihre Funktion verlieren, sondern auch das Haus verlassen sollten. „Das stellt eine neue Dimension im Umgang mit Mitarbeitern dar, nämlich einen Kultur- und Tabubruch in unserem Haus. Dieses Vorgehen der Chefredaktion erschreckt, zumal damit der von den Gesellschaftern eingeforderte Konsens einseitig aufgekündigt wird.“
Dass die beiden betroffenen Ressorts keinen offenen Brief schrieben – wie es im Haus mittlerweile zum guten Protestton gehört –, sondern ihren Widerspruch lediglich mündlich äußerten, werteten und werten einige Redakteure im Haus als Zeichen des guten Willens: des guten Willens gegen Büchner. Denn durch den Verzicht auf ein Protestschreiben (das dann schnell in anderen Medien kursiert hätte) sollte lediglich nicht noch mehr Spiritus auf den Grill gespritzt und der Geschäftsführung um Ove Saffe und den Gesellschaftern Zeit gegeben werden, mit etwas Ruhe einen Nachfolger für Büchner zu finden.
Nur noch ein Wochenende Chef?
Montag sei der Tag an dem solche Dinge beim Spiegel passieren, sagt einer der Redakteure. Soll heißen: Montag ist Büchner weg.
Doch muss Büchner wirklich nach diesem Wochenende gehen? Wetten will man darauf zur Zeit nicht. Denn eigentlich war Büchner bereits vor vier Wochen weg. Damals, kurz vor der Gesellschafterversammlung (einem Freitag!) hatte die Redaktion des Print-Spiegel die Gesellschafter (Gruner+Jahr, die Augstein-Erben und die Mitarbeiter KG) in einem Protestbrief dazu aufgefordert, Büchners „Spiegel 3.0“-Konzept abzulehnen. Büchners Plan sah unter anderem vor, alle Ressortleiter zu entmachten und die Stellen neu auszuschreiben. Die neuen Chefs sollten dann für Print und Online verantwortlich sein.
Mehr als 80 Prozent der Redakteure des Magazins unterschrieben die Aufforderung. Eine Ablehnung von Büchners Konzept hätte sein Ende beim Spiegel bedeutet – und wohl auch das Aus von Geschäftsführer Ove Saffe.
Unterstützung durch die Onliner
Doch Büchner blieb. Er sollte im Konsens mit der Redaktion seine Ideen von der Verzahnung von Print und Online vorantreiben, ließen die Gesellschafter nach ihrem Treffen verbreiten. Die Ressortleiter von Spiegel Online hatten zuvor Unterstützung geboten: „Den Plan, die Ressortleitungen von Spiegel und Spiegel Online zusammenzuführen und so auf Ressortebene eine echte gemeinsame Verantwortung für beide Bereiche herzustellen, halten wir grundsätzlich für richtig.“ So durfte er trotz des massiven Protestes aus der Printredaktion bleiben. Die Gesellschafter spielten auf Zeit.
Doch seitdem scheint Büchner nicht weniger, sondern noch mehr Mitarbeiter gegen sich aufgebracht zu haben, wie der Brief des Betriebsrats beweist. Dort sitzen schließlich nicht nur Redaktions-, sondern unter anderem auch Verlagsmitarbeiter. Die Abstimmung über das Protestschreiben ging 13:0 aus: für Armin Mahler und Lothar Gorris – und gegen Büchner.
Es könnte also tatsächlich Büchners letztes Wochenende als Chefredakteur des Spiegel werden. Er tut zumindest viel dafür, dass die murrenden Redakteure diesmal Recht behalten. Doch wetten sollte man besser nicht darauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!