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Spendet Speicheleinheiten

Die High-Tech-Fahndungen aus Cloppenburg beweisen: Männer wollen ihre Unschuld beweisen. Anleitungen zum Mitmachen und Erinnerungen an einen Fußabdruck  ■ Von Helmut Höge

Unterhalb der Konzernebenen, auf denen die Dinge bewegt werden, und oberhalb unseres alltäglichen Gewusels zwischen allen Zumutbarkeiten gibt es eine Art Heiße-Luft-Schicht, in der man sich z.B. darüber ausläßt, wer Kanzler wird, ob eine Nation beleidigt wurde, ob ein Film oder Theaterstück gegeißelt werden muß oder nicht. Auch Medien-Hypes wie Schumi, Schwarzenegger und Becker oder Schwarzarbeit, Kindermord, Frauenhandel sowie Russenmafia, Holocaust-Denkmal und Elchtest gehören dazu. Derzeit macht gerade der „Speicheltest“ Furore: Wegen eines Mädchenmords sollen rund 18.000 Männer im norddeutschen Landkreis Cloppenburg eine Speichelprobe abgeben, um den Täter zu ermitteln. Die meisten Fernsehsender haben alle einen Korrespondenten vor Ort postiert und berichten nun täglich über die Fahndungsfortschritte. So wie früher über die Kriegserfolge stündlich Nichtssagendes verbreitet wurde – woraufhin die patriotischen, weil daheim gebliebenen Familienväter auf ihren Kartenwerken im Wohnzimmer die deutschen Fähnchen mit Stecknadeln, die es extra dafür zu kaufen gab, umsteckten, um den aktuellen Frontverlauf nachzuvollziehen. Alles Dreck!

Aber diese Speichelmänner machen dabei immer wieder gerne mit. Erstens sind sie sowieso für Recht und Ordnung – und kooperieren gerne mit Polizei und Militär. Zweitens ist das mit dem Mädchenmord eine echte Sauerei – und der Täter gehört schleunigst hinter Gittern (das meint sogar unser Subnationaldichter Wiglaf Droste, ohne zu diesem „Statement“ gedrängt worden zu sein!). Drittens ist das Massenspeicheln mit „Technik vom Feinsten“ verbunden: Computer und Genanalyse – zwei Gebiete, auf denen Deutschland einen enormen Handlungsbedarf hat (das sagen jedenfalls der Wissenschafts- und der Wirtschaftsminister). Viertens können selbst ärgste Verlierer und häßlichste Frauennerver anschließend ebenso ehrlichen wie stolzen Herzens auf ihre Visitenkarten und Autos – „Speicheltest 1998, negativ“ – schreiben. So wie ich nie den Hinweis „Träger der Benno-Martiny-Medaille in Bronze für sauberen Journalismus 1985“ vergesse. Fünftens wurde zwar das Deutschdiktat bei den Polizeiaufnahmeprüfunden abgeschafft, dafür aber ihre Verbrechensbekämpfung insgesamt auf High-Tech-Niveau hochgeschraubt. Das ist modern, das ist amerikanisch: der Dumpfbeutel im staatlichen Kampfdreß, dem nicht einmal mehr unsere DNS spanisch vorkommt.

Unser Euro-Cop, wie ihn die Springer-Presse liebevoll nennt. Bleibt eigentlich nur noch wie bei den Lichterketten die Soli-Aktion: Also spendet massenhaft! Schickt euren Speichel an die dafür zuständige Ermittlungsbehörde. Und verlangt, daß man einwandfrei eure Unschuld beweist (es kann zur Not auch die Spucke eurer Lebenspartnerin sein, wenn ihr gerade einen trockenen Mund habt oder TBC). Diese Soli-Aktion entbehrt auch nicht eines kleinen Kitzels der Gefahr: daß man nämlich wider Erwarten von der Soko doch – unter Millionen – zum Täter gekürt wird. Ich habe einmal in einem Vogelsberg-Dorf, wo drei Frauen ermordet wurden und ein blutiger Fußabdruck zurückgeblieben war, an einem Fußtest – aller männlichen Dorfbewohner – teilgenommen, und damals wurde dabei auch prompt ein Unschuldiger der Tat überführt. Seinen Anwälten gelang es nach einem Jahr zwar, ihn wieder frei zu bekommen, aber seine Karriere (als brav verheirateter Tischler) war zerstört. Heute soll er im Ausland leben und glücklich sein, daß durch diesen ganzen Scheiß sein sinnloses – vollkommen fremdgesteuertes – Leben eine schicksalhafte neue Wendung nahm. Nehmen wir – als Volksfreunde – einfach an, daß all die albern-aktiven Speichelspender klammheimlich mit dieser großartigen „Chance 2000“ liebäugeln – und unterstützen wir sie!

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