Spendenrekord bei Wikipedia: 8 Millionen in 8 Wochen
Die Spendenaktion der Online-Enzyklopädie war ein Erfolg: In acht Wochen kamen acht Millionen Dollar zusammen. In Deutschland gab es ebenfalls Rekorde – trotz aktueller Kritik.
Wer in den vergangenen zwei Monaten bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia vorbeischaute, kam an dem Spendenaufruf nicht vorbei: Groß prangte das Banner – verziert mit Testimonials von Online-Promis und Nutzern – über jedem einzelnen Artikel. In den acht Wochen, in der die Kampagne lief, kamen insgesamt acht Millionen Dollar (5,5 Millionen Euro) zusammen, wie die Veranstalter am Mittwoch mitteilten. Das ist mehr als erhofft: Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hatte sich ursprünglich nur 7,5 Millionen erträumt.
Das Geld der Spendenaktionen, die inzwischen regelmäßig stattfinden, fließt in die Arbeit der Wikimedia-Stiftung mit Sitz in San Francisco. Außerdem sollen Inhalteprojekte, Rechenzentren, die Datenbank "Wikimedia Commons" und die Weiterentwicklung der Software finanziert werden.
Auch Schwesterprojekte werden gefördert. Insgesamt 230.000 Einzelspender soll es diesmal gegeben haben, wie Stiftungschefin Sue Gardner mitteilte. Das seien fast 125.000 mehr als im Vorjahr, obwohl die Kampagne anfangs nur langsam angelaufen war. Laut Gardner verteilt sich das Spendenaufkommen vor allem auf Kleinspenden.
Außerdem förderte der eBay-Gründer Pierre Omidyar die Kampagne, in dem er alle Einnahmen zwischen 100 und 10.000 Dollar "matchte", also jeweils auf das das Doppelte erhöhte. So kamen allein fast 500.000 zusätzliche Dollar zusammen.
Neben der amerikanischen Wikimedia Foundation hatten auch die internationalen Chapter der Stiftung zu Spenden aufgerufen, die Nutzer konnten sich jeweils entscheiden, wem das Geld zufließen sollte.
Am erfolgreichsten war dabei Wikimedia Deutschland mit Sitz in Berlin, wo man sich die Förderung der deutschsprachigen Wikipedia, weltweit die Nummer zwei nach Artikeln, zur Aufgabe gemacht hat. Genau 614.391 Euro und 73 Cent von 19847 Einzelspendern seien eingegangen, sagte Geschäftsführer Pavel Richter gegenüber taz.de. Echte Großspenden gab es nicht, nur einige Firmen hätten 1000 bis 2000 Euro gegeben. "Wir haben mehr Spenden eingenommen, als ich erwartet habe", sagte Richter.
Die Überraschung könnte eventuell auch damit zu tun gehabt haben, dass die deutschsprachige Wikipedia derzeit im Sturm einer teils heftigen Diskussion steht: Bei der so genannten Relevanzdebatte geht es darum, welche Texte zu welchen Themen überhaupt in dem Online-Lexikon platziert werden sollten.
Während die eine Fraktion der Wikipedia-Community meint, die Enzyklopädie müsse von irrelevanten Begriffen freigehalten werden (wobei die Frage der Relevanz selbst ein großes Diskussionsthema ist), meint die andere, das Lexikon solle sich weiter öffnen, schließlich mangele es im Internet nicht an Platz.
Bei Wikimedia Deutschland verfolgt man die Diskussion naturgemäß aufmerksam, auch wenn der Förderverein laut Geschäftsführer Richter neutral bleiben will: "Wir werden in diesem Jahr sicher noch einmal eine Veranstaltung zu dem Thema haben."
Die Spendenaktion wurde anfangs auch als Plattform zur Meinungsäußerung verwendet: Hunderte Einzelspenden zu einem Euro gingen nach Kampagnen in Blogs und Twitter ein, die jeweils einen negativen Kommentar zu den aktuell kritisierten "Löschaktionen" bei Wikipedia Deutschland enthielten. Richter ist sich sicher, dass diese Diskussion geführt werden muss: "Es geht um die Zukunft der Wikipedia und die Frage, ob wir offen gegenüber neuen Autoren sind."
Genau die will der Verein mit den eingenommenen Spendenmitteln unter anderem anlocken: Mit Projekten etwa an Schulen oder mit älteren Zielgruppen, die als neue Community-MItglieder geworben werden sollen. "Wir fördern Autoren, "befreien" Inhalte und fördern die Technik.
So geht das Geld unter anderem in eine Serverlandschaft in Amsterdam, die große Teile des europäischen Traffics auf Wikipedia verarbeitet." In den vergangenen Jahren förderte Wikimedia Deutschland unter anderem Projekte, bei denen kostenfreie Archive digitalisiert und in die zentrale Datenbank Wikimedia Commons eingestellt wurden.
Die Spendenaktion soll indes nicht die letzte bleiben: Auch in diesem November ist eine neue Runde geplant. Damit der Mittelfluss kontinuierlicher ist, will Wikimedia Deutschland außerdem einen eigenen "Fundrising Manager" einstellen, der halbtags um neue Spenden wirbt.
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