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Speicherung von EU-FluggastdatenNiemand liebt das Terror-Orakel

Alle Bundestagsparteien lehnen eine 13-jährige Speicherung von Fluggastdaten ab - im Gegensatz zu Innenminister de Maizière.

Wer reist, soll seine Daten 13 Jahre preis geben. Bild: dpa

FREIBURG tazDie Sicherheitsexperten aller Bundestagsparteien lehnen die von der EU geplante 13-jährige Vorratsdatenspeicherung für Flugdaten ab. Dies ergab eine Umfrage der taz. Dagegen hatte Innenminister de Maizière vorige Woche grundsätzliche Zustimmung signalisiert. "Die Frage ist nicht das Ob, sondern das Wie", sagte er nach dem Treffen der EU-Innenminister in Toldeo.

Die Innenminister hatten vorige Woche die EU-Kommission zur Vorlage eines neuen Vorschlags aufgefordert, der neben interkontinentalen auch innereuropäische Flüge erfasst. Die Kommission will, dass die Daten aller Fluggäste - zum Beispiel das Reiseziel, die benutzten Zahlungsmittel, Telefon- und E-Mailkontakte - anlasslos 13 Jahre von den nationalen Sicherheitsbehörden gespeichert werden müssen, so ihr bisheriger Vorschlag aus dem November 2007.

Nach einem Anschlag sollen so auch jahrelang zurückliegende Reisebewegungen noch rekonstruiert werden können. Außerdem sollen die Daten zum Profiling genutzt werden, das heißt, bisher unbekannte Gefährder sollen so erst erkannt werden. Wie das genau vor sich gehen soll, wollte das Innnenministerium auf Nachfrage der taz nicht erläutern.

Am Mittwoch muss Innenminister de Maizière wohl deutlicher werden. "Ich werde am Mittwoch im Innenausschuss einen Bericht verlangen", sagte Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD. "Unbescholtene Bürger 13 Jahre speichern? Das ist gaga und indiskutabel." Er erinnert daran, dass die damalige SPD-Justizministerin Brigitte Zypries die EU-Pläne schon 2008 als eindeutig verfassungswidrig erklärte.

Doch auch in den jetzigen Regierungsparteien ist man mit dem Projekt unzufrieden. "Die Daten aller Fluggäste anlasslos 13 Jahre lang zu speichern, dass ist verfassungsrechtlich nicht machbar", sagt etwa Clemens Binninger, der Polizeiexperte der CDU/CSU-Fraktion. Er glaubt auch nicht, dass durch das Profiling wirklich unbekannte Gefährder erkannt werden können. "Viel wichtiger ist es, sicherzustellen, dass bekannte terroristische Gefährder nicht unbemerkt ein Flugzeug besteigen können."

"Eine europäische Flugastdatensammlung nach amerikanischem Vorbild wird es mit uns nicht geben", erklärte Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP. "Je mehr man den Heuhaufen personenbezogener Daten vergrößert, desto schwieriger wird es, die berühmte Nadel darin zu entdecken."

Jan Korte von der Linken kritisiert aber auch die FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die bisher die Fluggastdatenspeicherung nicht eindeutig abgelehnt habe: "Das Versprechen der Ministerin, mit ihr sei die Zeit der sicherheitspolitischen Aufrüstung vorbei, war wohl nur ein Versprecher."

Innen- und Justizministerium hatten übereinstimmend ein hohes Datenschutzniveau bei der geplanten Fluggastspeicherung gefordert. Der Grüne Wolfgang Wieland hält das für den falschen Ansatz. "Eine derartige Vorratsdatenspeicherung kann gar nicht verfassungskonform gestaltet werden". Er hofft, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur sechsmonatigen Zwangsspeicherung der Telekom-Verbindungsdaten klare Worte findet. Für Anfang März wird mit der Verkündung des Urteils gerechnet.

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6 Kommentare

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  • JS
    johan Schreuder

    Darf ich kurz darauf hinweisen das jährlich mehr deutschen von den blitz beim stuhlgang getötet werden als von terror. Natürlich abgesehen von irgendwelcher soldaten die uns in afghanistan gegen den terror verteidigen.

  • MH
    Michi Hartmann

    Diese ganze Sicherheitswahn ist totaler Schwachsinn, solange die Leutchen nicht lernen, hinzuschauen oder im Zweifelsfall richtig zu suchen... gestern bin ich von Köln nach Berlin geflogen. Als ich nach der Sicherheitsprüfung (2 Feuerzeuge eingebüsst, die in der Jacke waren) ein Getränk kaufte, plumpste mit meinem Geldbeutel aus der Seitentasche des Rucksackes auch eine Zehnerpackung Cuttermesserklingen heraus, die ich seit einer Woche (also auch auf dem Hinflug Freitag abend!!!) darin vergessen hatte und die trotz Durchleuchtung meines - zugegeben unaufgeräumtes - Rucksackes nicht entdeckt wurden. Also das Handgepäck ordentlich vermüllen, Auspacken muss man ja meist doch nicht, und man bekommt Dinge mit, die im Flieger wohl doch nichts zu suchen haben...

    Wer so eine Klinge am Hals hat, macht wahrscheinlich alles, was der Klingenbesitzer sagt. Ich hätte also können wenn wollen usw, da hätte der Nacktscanner auch nichts geholfen und die gespeicherten Daten sowieso nicht.

    Schönen Tag auch und guten Flug...

  • TS
    Torsten Steinberg

    Der sogenannte Detroit-Bomber hat sich so stümperhaft und dämlich angestellt, dass ich mir nicht einmal seinen Namen merken kann. Warum ist er nicht einfach auf die Toilette gegangen, wo kein einziger aufmerksamer Fluggast ihn daran hätte hindern können, in aller Seelenruhe seinen Sprengsatz zu zünden? Und was für eine Detonation hätte er mit seinem nicht ummantelten Brausepulver überhaupt auslösen können? Wer glaubt denn im Ernst daran, dass dieser einfältige Anschlagsversuch die gleiche Urheberschaft haben soll wie die von wirklich langer Hand und mit großem logistischen Aufwand ausgeführten Anschläge vom 11. September?

     

    Mit immer größerer Dringlichkeit stellt sich mir die Frage, ob wir hier nicht einer unsäglichen Inszenierung aufsitzen und nicht einem realen Anschlagsversuch. Wer die Fäden zurückverfolgt, mag sonst wo landen, vielleicht mit einer winzigen Wahrscheinlichkeit sogar im Jemen, aber bestimmt nicht bei Osama bin Laden, eher doch ganz woanders.

     

    Es ist nicht zu fassen, dass wegen so etwas jetzt Körperscanner und Vorratsdatensicherung und was nicht noch alles ganz widerspruchlos durchgesetzt werden sollen.

     

    Eine einfache Frage kann mir vielleicht jemand beantworten, denn mir ist eine entsprechende Mitteilung entgangen. Was für einen Sprengstoff hat der vermeintliche Attentäter in welcher Menge mitgeführt und welche Folgen hätte es gehabt, wenn die Vorrichtung gezündet worden wäre.

  • T
    Thomas

    Dieser Staat mutiert in vielen Bereichen bereits zu einem Überwachungsstaat

     

    und jetzt werden auch noch Bewegungsprofile über einen Zeitraum ermöglicht.

     

    SIcher die Dekadenspeicherung wird abgelehnt, aber man brüstet sich dann mit 5 Jahren.

     

    Argument: Wenn 10 Jahre über den Tod hinaus alle Steuerinformation gespeichert werden kann, dann ist es verfassunggemäß 5 Jahre das Bewegungsprofil zu speichern.

     

    Das ist definitiv der Einstieg in den totalen Überwachungsstaat.

     

    Und dies ist nur möglich, weil dies eine sozialistische Staat ist, der meint alles regeln zu dürfen bzw. zu müssen.

     

    Die Bürgergesellschaft wird von allen Parteien abgelehnt. Die Piraten versuchen es noch ein wenig, aber die werden sich hier auch wenden.

  • P
    Peter

    Zitat: Der Grüne Wolfgang Wieland hält das für den falschen Ansatz. "Eine derartige Vorratsdatenspeicherung kann gar nicht verfassungskonform gestaltet werden".

     

    Mir gefällt diese Herangehensweise nicht. Heißt das im Umkehrschluß, WENN diese Vorratsdatenspeicherung verfassungskonform gestaltet werden KÖNNTE, DANN wäre Herr Wieland dafür?

    Die Vorratsdatenspeicherung sollte grundsätzlich abgelehnt werden, ohne (scheinheilige) Berufungen auf das Grundgesetz.

  • D
    DuBistTerrorist

    Beim Nacktscanner wurde auch gesagt, "dass wir diesen Unfug nicht mitmachen". Gewiss bekommen wir die Passagierdatenspeicherung und Kontrolle aller Reisebewegungen -die EU-Diktatur wird dafür sorgen, wir sind alle Terroristen!