Spediteurin über Billigkonkurrenz: „Sie fahren Preise in den Keller“
LKW-Fahrer wehren sich gegen ihre Arbeitsbedingungen. Warum viele so nicht weitermachen können, erklärt die Spediteurin Sabine Klingbeil.
taz: Frau Klingbeil, am Freitag demonstrierten etwa 500 Lkw-Fahrer in Berlin. Warum?
Sabine Klingbeil: Durch ausländische Mitbewerber werden unsere Preise in den Keller gefahren. Natürlich können deren Fahrer nichts dafür, es geht um das gesamte Miteinander. Viele osteuropäische Subunternehmen zahlen nicht den deutschen Mindestlohn. Bei diesen ungleichen Bedingungen können wir nicht weiterexistieren. Wenn deutsche Logistikfirmen überleben sollen, muss die Politik eingreifen. Wenn es die Mittelständler nicht mehr gibt, ist die Versorgung hierzulande nicht mehr sicher.
Was macht Sie persönlich am wütendsten?
Dass nichts dafür unternommen wird, dass die geltenden Regeln eingehalten werden. Eigentlich dürfen die ausländischen Mitbewerber maximal sieben Tage hier sein und drei Transporte durchführen. Aber man hört, dass sie zum Teil monatelang in ihren Lkws bleiben müssen und vor sich hin vegetieren.
Was schlagen Sie vor?
Es wird nicht kontrolliert, obwohl man es könnte. Zum Beispiel über die Maut wäre eine bessere Überwachung möglich. Auch müssen die Frachtpreise angehoben werden. Deswegen auch der Name der Initiative für fairere Preise in der Logistik: „geizwargeil“.
Warum gehen Sie gerade jetzt auf die Straße?
Durch die Coronakrise hat sich die Situation extrem verschärft, weil Fahrer menschenunwürdig behandelt wurden. Wir dürfen bei unseren Kunden während der Corona-Zeit nicht mehr die Toilette benutzen, dürfen nicht unsere Hände waschen, nicht duschen. Das heißt, wir müssen unsere Lebensmittel abstellen und dann haben wir wieder zu verschwinden. Es heißt: „Lad ab, versorg uns und hau wieder ab.“
Nicht schön...
Jetzt ist es so weit, dass die Fahrer aufstehen und sagen: „Wir können nicht mehr.“ Jetzt geht es tatsächlich um Existenzen. Den Respekt, den es für Lkw-Fahrer früher gab, gibt es nicht mehr. Wir sind einfach nur noch lästig. Und das lässt man uns auch spüren.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
BSW scheitert, Schwarz-Rot hat eine Mehrheit
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren