: Specht mag keinen Fliegenpilz
■ Eingeladen, rausgeschmissen: Geschichten, die das Zirkusleben schreibt
Am letzten Freitag klopfte der Specht an einen Wagen des Zirkus Fliegenpilz: „Guten Tag, ich fand ihre Premiere so wundervoll“, sagte da ein Herr, Typ gutaussehehnder Gerschäftsmann. Weil gerade, wie er sagte, sein 40. Geburtstag zur Feier anstand, verfiel er an Ort und Stelle der Idee, sich mit ein paar Akrobaten oder auch einem richtigen Zirkusdirektor die Fete zu schmücken. Wenig später kam ein Schreiben: Darin lud der Herr namens Specht den „lieben Zirkus Fliegenpilz“ schriftlich zu seinem Geburtstagsfest am 2. Mai ein.
Der Samstagabend kam, die Zirkusvorstellung war zu Ende. Und der vorausplanende Specht hatte sogar einen Kleinbus vor die Zeltkuppel am Grünenkamp fahren lassen. Rund 30 ZirkusmitarbeiterInnen, vom Kulissenschieber bis hin zur Direktorin machten sich auf den Weg ins 20 Kilometer entfernte Brinkum, wo das Geburtstagskind eine Diskothek angemietet hatte. Doch kaum waren sie angekommen, ging die Feierlaune schon wieder zu Ende. „Wo sind die Clowns und Artisten?“ So klopfte der Specht schon deutlich unfreundlicher auf den Busch. Mit marokkanischen und polnischen Menschen, die im Zirkus die Tiere pflegen, Zelte bauen und Sägemehl streuen, wollte der Jubilar seine Party nicht krönen.
Da schwante den Gästen, daß der Specht nicht aus Freude über die Leistungen des Zirkus zum Gastgeber geworden war, sondern eventuell aus ganz eigennützigem Kalkül: „Der wollte ein kostenloses artistisches Beiprogramm“, erkannten die Gäste, die sich plötzlich so ungebeten vorkamen, und wahrhaftig, der Specht setzte sie vor die Tür.
Während die Leute vom Schweizer Zirkus noch Tage danach über den unhöflichen Gastgeber entrüstet sind, findet Specht auf Anfrage sein Verhalten ganz normal: „Ich wollte den Direktor und die Artisten und nicht den ganzen Zirkus.“ Die dann gekommen seien, die „wirkten störend“, sagte er, die „paßten nicht“, die waren als Staffege für die Feier einfach nicht schick genug.
Und warum hat Specht sich den Zirkus überhaupt ins Haus geholt? „Ich wollte denen etwas Gutes tun.“ kvr
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