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Sparpläne der Großen KoalitionTschüss Wehrpflicht?

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erwägt die Abschaffung der Wehrpflicht, um 400 Millionen Euro einzusparen. Die CDU lehnt die Pläne umgehend ab.

Der Bundeswehrverband ist über die Sparpläne empört. Bild: ap

BERLIN dpa | Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist mit seinen Überlegungen zum Aussetzen der Wehrpflicht auf massiven Widerstand in der Unionsfraktion gestoßen. "Grundsätzliche Pfeiler in Deutschlands Sicherheitsarchitektur nur nach Kassenlage zu hinterfragen, ist wenig sinnvoll", sagte ihr verteidigungspolitischer Sprecher, Ernst-Reinhard Beck, am Mittwoch. Als weitere Sparmaßnahme ist ein drastischer Truppenabbau von 250.000 auf 150.000 Soldaten im Gespräch.

FDP und Grüne begrüßten die Pläne, die Linke reagierte skeptisch. Der Bundeswehrverband warnte eindringlich davor, "die Sicherheit dem Haushalt zu unterwerfen". Auch die Wohlfahrtsverbände schlugen Alarm, weil mit der Wehrpflicht auch der Zivildienst wegfallen würde.

Verschiedene Tageszeitungen berichteten am Mittwoch übereinstimmend, dass im Ministerium ein Aussetzen der Wehrpflicht erwogen werde. Damit könnten mehr als 400 Millionen Euro im Jahr gespart werden. Ein Sprecher Guttenbergs widersprach den Berichten nicht. In Vorbereitung der Sparklausur des Kabinetts am Sonntag und Montag würden unterschiedliche Szenarien erörtert, erklärte er. "Dabei gibt es keine Denkverbote, aber auch noch keine Entscheidungen."

Guttenberg hatte die Bundeswehr bereits in der vergangenen Woche auf Kürzungen eingeschworen und die Wehrpflicht infrage gestellt: "Mit den jetzt bekannten Zahlen und nicht nur aufgrund koalitionsinterner Träumereien wird auch der Fortbestand der Wehrpflicht erneut einer Diskussion ausgesetzt", sagte er. Das Kabinett hatte erst vor zwei Wochen eine Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate zum 1. Juli beschlossen. Dabei handelte es sich um einen Kompromiss: Die Union wollte die bisherige Länge ursprünglich beibehalten, die FDP hatte im Bundestagswahlkampf für ein Aussetzen plädiert. In den Koalitionsverhandlungen einigten sich beide Seiten auf die Verkürzung.

Die FDP sieht jetzt ihre Position bestätigt. "Das ist FDP-Politik pur", sagte Sicherheitsexpertin Elke Hoff dem Trierischen Volksfreund vom Donnerstag. Die Unionsfraktion ist für ein Aussetzen der Wehrpflicht aber offenbar nicht zu haben. "Dieses bewährte Instrument der deutschen Sicherheitspolitik jetzt dem Sparzwang der öffentlichen Haushalte zu opfern, halten wir für fragwürdig", betonte Verteidigungsexperte Beck. Die Wehrpflicht verklammere Armee und Gesellschaft. Viele verbündete Staaten hätten schlechte Erfahrungen mit dem Aussetzen der Wehrpflicht gemacht. "Weder erfüllten sich die Hoffnungen auf Einsparungen, noch konnte die Qualität des Nachwuchses gesichert werden. Ihr Beispiel muss uns warnen."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte, die Wehrpflicht müsse nicht vorübergehend ausgesetzt, sondern gleich ganz abgeschafft werden. Der Linken-Verteidigungsexperte Paul Schäfer meinte, das Nachdenken über Wehrpflicht und Truppenstärke komme spät und bleibe unbestimmt.

Empörte Reaktionen kamen auch aus dem Bundeswehrverband. "Fraglos muss auch im Wehretat gespart werden, aber eine Aussetzung der Wehrpflicht allein zu diesem Zweck ist ausgesprochen kurzsichtig", sagte der Vorsitzende Ulrich Kirsch.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor "Tragödien in sozialen Einrichtungen". Den Zivildienst nach einer Pause wieder aufzubauen, würde wohl kaum gelingen, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der Mitteldeutschen Zeitung.

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13 Kommentare

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  • A
    Andreas

    Bundeswehr, nur freiwillige ist doch gut, um uns herum sind doch nur lauter Freunde. Wenn wir unsere Schiffe am Horn von Afrika schützen wollen, geht dies nur mit Freiwilligen. Man sollte aber trotzdem über ein soziales halbes oder dreiviertel Jahr nachdenken (für ALLE,Jungen wie MÄDCHEN und Kinder r e i c h e r Eltern.

    Bevor sie auf Staatskosten studieren sollten sie etwas tun, was z.B. spätere Invesm.Banker und ähnliche Leute daran hintert vom Boden abzuheben und ihre Mitmenschen zu verachten. Das kostenlose Studium wird ja auch von denen mitfinanziert die nicht studieren.

  • JS
    Jens Schlegel

    Wie sieht´s damit aus:

     

    Pflicht zum Zivildienst, vielleicht sogar zwei Jahre. Wer das nicht machen will, kann verweigern und zu Bundeswehr.

     

    Und das für Mann und Frau - so Gleichberechtigung usw. Ausserdem würde es den Turboausgebildeten BWL-ern mal einblick in Arbeit und soziales geben. Wie gut das auf eine Gesellschaft wirken kann darf jeder selbst überlegen. Und pazifistischer wäre es in jedem Fall. Auch würde dieses "Drückeberger" wegfallen, wenn jemand den Kriegsdienst verweigert.

  • H
    Hans

    Respekt, Herr Guttenberg!

    Endlich haben wir einen Verteidigungsminister im Amt, der den Sinn einer Berufsarmee und den Unsinn der Wehrpflicht erkannt hat. Wie schaffen es nur die anderen NATO-Länder ohne Wehrpflicht und Zivildienst zu überleben?!

     

    Hat die CDU vielleicht Bedenken, weil durch eine Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes den Kirchen die billigen Zwangsarbeiter entzogen werden könnten?

  • V
    @Vincent

    So sieht's aus!

    So lange hier die Schulzeit gekürzt wird, um internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten ("iiih wir sind alle ein Jahr älter als der Rest der Welt, wenn wir mit dem Studium fertig sind"), gehört die unnötige Verzögerung durch die Wehrpflicht schon dreimal abgeschafft. Und egal wie lang die Wehrpflicht ist, man verliert in jedem Fall zwei Semester. Denn Studienbeginn zum SS ist nur selten möglich.

  • M
    Markus

    Ein schönes Beispiel dafür, wie pazifistisch der Zivildienst ist. Wer als Mann die Mitwirkung am Militär wirklich verweigern will kommt an einer Totalverweigerung nicht vorbei.

  • D
    David

    Weder erfüllten sich die Hoffnungen auf Einsparungen, noch konnte die Qualität des Nachwuchses gesichert werden. Ihr Beispiel muss uns warnen - was die CDU wieder für einen verbalen Dünnschiss von sich gibt ist mal wieder völlig realitätsfremd. Sehen wir mal nach Großbritannien, wo es seit Jahrhunderten keine Wehrpflicht mehr gibt und trotzdem sind die Streitkräfte im öffentlichen Leben fest verankert. Von der Schlagkraft dieser Truppe ganz zu schweigen.

    Außerdem verstehe ich nicht was die Wehrpflicht an der Sicherheitslage der BRD letztendenendes ändert - habe ich was verpasst oder steht der Russe schon lange nicht mehr vor der Tür?

  • H
    HansHubert

    Ich bin ja eigentlich überzeugter Antimilitarist und sollte sich mich über derartige Überlegungen innerhalb der Bundesregierung freuen. Aber da stellt sich schon die Frage nach der der Machbarkeit.

    In Afghanistan&co siehts für unsere Truppen eh schon eng aus, da wird um jede noch so kleine Erhöhung des Kontingents gerungen und dann soll mal eben die Truppenstärke (annähernd) halbiert werden?

    Und, wie in anderen Kommentaren schon angesprochen, was wird aus dem Zivildienst? Wenn der von heut auf morgen wegfällt, bricht das deutsche Pflegesystem zusammen, da muss man sich garkeine Illusionen machen.

    Also, weniger Bundeswehr is immer gut, aber der Herr von und zu sollte schon ein paar Ecken weiter denken.

  • F
    fatalfraktal

    Mal theoretisch überlegt: Arme, unschuldige, zwangsausgehobene Wehrpflichtige müssten an kriegerischen Handlungen der BRD à la Afghanistan teilnehmen, dann wären spätestens nach den ersten Toten aus diesen Reihen oder Massakern von diesen solche Kriegsbeteiligungen nur noch schwer politisch durchsetzbar.

     

    Nun sind es aber die "Freiwilligen", Zeit- bzw. Berufssoldaten, und "die sind ja selbst schuld".

     

    Daher macht aus dieser zugegeben etwas perfiden Sicht die Wehrpflicht keinen Sinn mehr. Schafft sie daher einfach ab!

  • B
    Boiteltoifel

    Die Probleme mit den fehlenden Zivildienstleistenden könnte bei Abschaffung der Wehrpflicht ganz einfach gelöst werden, indem ersatzweise eine allgemeinde Sozialsdienstpflicht von sechs Monaten für ALLE eingeführt wird. Also Männer UND Frauen. DAS fände ich gerecht. Dazu eine Berufsarmee, in die sich jedeR bewerben kann, NACHDEM der Sozialdienst abgeleistet ist.

  • K
    Kontrapunkt

    Ich habe mein Abi gerade hinter mir und bin gerade auf Zivildienstellensuche - das macht keinen Spaß! Die Vergütung ist katastrophal und die Aufgabenfelder wenig motivierend. Andererseits könnte ich wohl bei einem aussetzen der Wehrpflicht schon in 2-3 Monaten mit meinen Studium beginnen (selbst wenn dies erst später begän, so würde ich wohl auf Zeit spielen).

    Weiter möchte ich das aktuelle Argument der Wehrungerechtigkeit in den Raum werfen.

     

    Naja ich hoffe das beste

  • ID
    Irrenhaus Deutschland

    Das politische leben hierzulande nimmt von tag zu tag groteskere züge an: Linke abgeordnete schauen zu, wenn mit eisenstangen auf israelische soldatinnen und soldaten eingedrescht wird, deren vorfahren vielleicht den deutschen vernichtungslagern entronnen sind.

    Nun liest es sich so, als würde die Linke im einklang mit den rechtsaußen leuten von der CDU für die beibehaltung der "Nationalen Volksarmee", hier genannt "Bundeswehr" plädieren, und der Paritätische Wohlfahrtsverband fürchtet um seine billigen Zivis, die ja auch schon mal als hilfsköche und hausmeister eingesetzt werden, obwohl sich auch alles über ein flächendeckendes FSJ-netz, Freiwilliges Soziales Jahr, für das man auch interessierte aus fernen ländern engagieren könnte, organisieren ließe - ganz im sinne der internationalen verständigung und einer zusammenwachsenden welt! CHANGE, schlafmützen!

  • V
    Vincent

    Eine Wehrpflicht, egal ob 6 oder 9 Monate, ist doch nur noch für das Papier und die Statistik gut. Landesverteidigung, so wie noch bis in die späten 80er Jahre argumentiert werden konnte, als die Bundeswehr eine Stärke von 495.000 Soldaten hatte, ist heute nicht mehr notwendig. Wenn man an den internationalen EInsätzen festhalten will, ist eine Berufsarmee angebracht. Soll doch hingehen wer will, nicht aber müssen.

    Die größte SOrge darum geht allerdings von den Bürokraten in der Bundeswehrverwaltung aus, die ohnehin einen zu großen Teil der Bundeswehr ausmacht. Weiter hat man auch Angest, um den damit zusammenhängenden Zivildienst, der die Pflegebranche in eine personelle Krise stürzen würde, wenn man nicht richtige Gehälter zahlen will.

    Nieder mit der Bürokratie! Für faire Gehälter!

  • J
    JGO

    Die richtige Frage lautet:

     

    Benötigt Deutschland überhaupt eine Bundeswehr?

     

    Antwort böser Zungen:

     

    Ja, natürlich! Wir müssen doch unsere (US-)amerikanischen Freunde in ihrem Kampf gegen den internationalen Terrorismus unterstützen.