: Sparpause für Siemens-Werke
Handy-Werke Bocholt und Kamp-Lintfort sind von Siemens-Sparplänen nicht betroffen. IG-Metaller Cholewa gegen „Instrumentalisierung“ durch CDU im Landtagswahlkampf
RUHR taz ■ Siemens spart diesmal nicht an den Handy-Fabriken in Bocholt und Kamp-Lintfort. Der Münchener Großkonzern will insgesamt eine Milliarde Euro im kriselnden Handy-Geschäft wegkürzen – doch die beiden Werke in NRW sind ausnahmsweise nicht betroffen. Grund: An beiden Standorten wurde im vergangenen Jahr schon genug gespart. Die aktuellen Kostensenkungs-Programme für Werbung und Vertrieb zielen auf andere Unternehmensbereiche. „Bocholt betrifft das nicht“, sagte der zuständige IG-Metall-Bevollmächtigte Heinz Cholewa gestern zur taz.
Dennoch sei die Stimmung in der Belegschaft „gedrückt“, so Cholewa, man bewege sich in einem „Vakuum“. Die Kollegen wünschten sich „klare Entscheidungen für die Zukunft“. Fast täglich kursieren neue Gerüchte über einen möglichen Verkauf des Handy-Segments. Während der Export in Deutschland produzierter Mobiltelefone im vergangenen Jahr wieder angezogen hat, schreibt die Siemens-Handy-Sparte seit drei Quartalen rote Zahlen. Allein im ersten Quartal 2004/05 fiel ein Verlust von 143 Millionen Euro an. Communications-Bereichschef Lothar Pauly sagte am Dienstag, bisher habe Siemens seine Handys zu spät auf den Markt gebracht, hänge bei UMTS zurück und sei so auf den fünften Platz im Weltmarkt zurückgefallen.
Der Betriebsratschef der Handyfabrik Kamp-Lintfort, Michael Leucker, begrüßte das Sparprogramm als „grundsätzlich richtig“. Allerdings befürchte er, dass das Handy-Geschäft von Siemens allmählich „kaputt geredet“ werde, indem die Geschäftsführung jede Woche „eine neue Sau durchs Dorf“ jage.
Die Beschäftigten in Bocholt und Kamp-Lintfort hatten 2004 ihren Spar-Beitrag geleistet. Das Unternehmen erhöhte die Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden, ohne Lohnausgleich, und setzte Entgelt-Kürzungen durch. Einsparvolumen: angeblich über 110 Millionen Euro. Gegenleistung: Eine Zwei-Jahres-Garantie für die rund 2.000 Jobs.
IG-Metall-Mann Heinz Cholewa handelte diesen Kompromiss damals mit aus. Heute muss er damit leben, dass CDU-NRW-Chef Jürgen Rüttgers das Siemens-Modell im Landtagswahlkampf als beispielhafte „patriotische Leistung“ preist. „Wir können nichts dagegen machen, wenn man politisch instrumentalisiert wird“, so Cholewa. Dabei sei die 2004 verhandelte Regelung keine „Generallösung“ für andere Betriebe. Die Konjunkturschwäche könne nicht durch generelle Arbeitszeitverlängerungen bekämpft werden, sondern nur, indem die Massenkaufkraft und die Binnennachfrage gestärkt werde, so Cholewa. „Die Menschen kaufen nicht, wenn sie weniger in der Tasche haben.“ MARTIN TEIGELER