Sparkassenchef über Folgen der Krise: "Ich bin kein Banker"
Konservative Geschäftsmodelle sind wieder in. Davon profitieren die Sparkassen, glaubt Claus Friedrich Holtmann, Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbands.
taz: Herr Holtmann, Ihr Berufsstand ist in Misskredit geraten. Sind Sie eigentlich noch gerne Banker?
Claus Friedrich Holtmann: Ich bin Sparkassenkaufmann, kein Banker! Ich habe bei der Stadtsparkasse Krefeld gelernt. Drei Telefone am Ohr und fünf Bildschirme vor mir - das macht nicht unser Geschäftsmodell aus.
Bis vor Kurzem hätten Sie damit nicht so angeben können.
Ich war immer Sparkassenkaufmann. Aber ich kenne das: Wenn beim "Tatort" ein Kunde betrogen wird, dann wird er von einer Geschäftsbank betrogen. Wenn eine Bank betrogen wird, ist es die Sparkasse. Die Sparkasse wird immer für ein bisschen doof gehalten.
Sind die Sparkassen nicht Gewinner der Finanzkrise?
Ich glaube, dass es in der Krise keine Gewinner gibt. Die Sparkassen profitieren aber davon, dass die Kunden wissen, dass sie sich auf uns verlassen können.
Trotzdem melden jetzt erste Sparkassen, dass sie zusätzliches Geld vom Sparkassenverband brauchen.
Das kommt eher im großstädtischen Raum in Westdeutschland vor, wo sich die ein oder andere Großsparkasse Ärger gemacht hat. Bei uns in Ostdeutschland ist das nicht der Fall. Auch durch Island, Lehman oder strukturierte Produkte sind wir nicht stark betroffen.
Aber auch Sie haben Lehman-Zertifikate verkauft?
Wir haben ein, zwei Sparkassen, die das gemacht haben und nun mit ihren Kunden sprechen. Man muss die Umstände betrachten, unter denen die Verkäufe zustande gekommen sind: Lehman ist lange als ganz tolle Anlageform durch die Medien gegangen. Dann sind auch Kunden bei uns aufgetaucht, die die Zertifikate haben wollten. Denen haben wir sie verkauft.
Deshalb sind die Käufer selbst schuld und haben jetzt Pech gehabt?
Nehmen Sie eine 68-jährige Oma, die vom Opa 20.000 Euro erbt. Die bekommt von ihrem Enkel erklärt: Kauf Lehman-Zertifikate, das bringt Geld. Und nehmen Sie einen dynamischen jungen Rechtsanwalt, der von der Anlage nicht viel versteht, aber zur Sparkasse kommt und die Papiere haben will. Während die Oma hinterher nichts sagt und wir sie möglicherweise noch aus der Kartei raussuchen müssen, steht der Anwalt bei uns vor dem Schalter, kaum dass Lehman in Konkurs ist, und fühlt sich verraten. Wir haben unseren Sparkassen gesagt: Wenn ihr jemanden habt, der das gar nicht durchschaut hat und den ihr vielleicht nicht so gut beraten habt, dann müsst ihr dafür geradestehen.
Während alle Welt über die Kreditklemme jammert, haben die Sparkassen ihre Kreditvergabe sogar ausgeweitet. Woher kommt die Liquidität?
Die Sparkassen sind kapitalmäßig sehr gut ausgestattet. 60 bis 70 Prozent der Ostdeutschen haben ihr Konto bei uns. Dadurch fließt uns mehr Geld zu, als wir für unser mittelständisches Kreditgeschäft benötigen. Wir brauchen den Kapitalmarkt nicht, um Geld zu akquirieren. Wir können also die frohe Botschaft verkünden, dass jeder, der einen Kredit benötigt, bei unseren Sparkassen auch einen Kredit bekommt.
Und das ist nicht schwieriger geworden wie bei vielen anderen Banken?
Bei den Konditionen passen wir uns dem Markt an. Die Sparkassen spielen im Weltmaßstab ja nicht die entscheidende Rolle, sodass sie auch nicht die Preise bestimmen können. Aber nachdem die Europäische Zentralbank die Leitzinsen gesenkt hat, werden wir unseren Kunden auch 2009 günstige Festzinsen anbieten können. Es wird also für Menschen, die ein Haus bauen wollen, gute Konditionen geben.
Die ostdeutschen Sparkassen sind großzügig mit Krediten?
"Großzügig" ist im Kreditwesen ein falsches Wort. Wir sind nicht großzügig im Sinne von fahrlässig, denn dann würden wir das Geld unserer Sparer verjubeln. Aber es kommt uns nicht darauf an, auch noch die letzten zehn Cent Gewinn aus jedem Geschäft zu pressen.
Klingt, als sei das mit den etwas doofen Sparkassen doch gar nicht so weit hergeholt?
Unser Geschäftsmodell heißt nicht Gewinnmaximierung. Für uns ist Nutzenmaximierung das Entscheidende. Auch die Sparkassen leben natürlich in der Welt der bankgeschäftlichen Grundsätze. Aber innerhalb eines gewissen Rahmens lassen die Sparkassen schon mal fünfe gerade sein. Das ist dann unser Beitrag für die Region.
Was meinen Sie damit?
Unsere Kunden sind die arbeitende Bevölkerung und die Mittelständler, die im Schnitt so zwischen 10 und 50 Beschäftigte haben. Ich rede hier nicht von der verlängerten Werkbank Westdeutschlands, sondern von der lokalen ostdeutschen Wirtschaft. Wir stehen vor einem konjunkturellen Einbruch. Allerdings gehen die Unternehmen mit einer vergleichsweise guten Kapitalausstattung in diese Situation. Da ist es die wichtigste Aufgabe, den Personalbestand abzusichern, in der Krise nicht unnötig Mitarbeiter freizusetzen, die sie hinterher wieder benötigen. Wir haben dabei eine große Verantwortung, weil es in der Fläche oft gar keine anderen Banken gibt.
Und was haben die Sparkassen davon?
Die Arbeitnehmer dieser Kreditnehmer sind ebenfalls unsere Kunden. Wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten käme, kämen auch die Mitarbeiter in Schwierigkeiten. Und der Bäcker, bei dem sie bisher ihr Brot kaufen, käme ebenfalls in Schwierigkeiten. Das ist in einem kleinen Ort direkt spürbar.
Befürchten Sie keinen Missbrauch?
Natürlich wird ein Unternehmer, der vor der Krise schon Schwierigkeiten hatte, nun nicht sagen: Ich habe mein Unternehmen schlecht geführt. Er wird versuchen, alle Probleme auf die Krise zu schieben. Aber wir haben auch eine sehr lange Erfahrung. Bankgeschäft ist da, wie in der Bibel beschrieben: sieben fette Jahre, sieben magere Jahre. Wir legen in den Jahren, in denen es gut läuft, Geld zurück, um dann, wenn es nicht mehr so gut geht, auch ein bisschen von der Substanz zu leben.
Angesichts der Prognosen: Wie ernst ist es?
Nach allem, was die Konjunkturforscher sagen, müssen wir für nächstes Jahr mit größeren Ausfällen im Kreditgeschäft rechnen; das müssen wir aus unseren Gewinnen bezahlen. Das schmälert den Bilanzgewinn. Außerdem werden die Zinsen auf dem niedrigen Niveau verharren. Das bedeutet für uns vermutlich auch geringere Zinseinnahmen.
Bisher waren die Sparkassen die einzigen Banken in öffentlicher Hand. Jetzt gehört auch die Commerzbank zu einem Viertel dem Staat. Nimmt Ihnen das einen Wettbewerbsvorteil weg?
Das kann man so simpel nicht sagen. Sparkassen gehören nicht der öffentlichen Hand, die Kommunen sind lediglich Träger. Unseren Wettbewerbsvorteil ziehen wir aus der Präsenz vor Ort, und die macht uns bisher niemand streitig. Wenn ich aber höre, dass Commerzbank-Chef Martin Blessing davon ausgeht, dass der Staat für lange Zeit im Boot bleiben wird, erfüllt mich das schon mit Sorge.
Warum?
Auf die Dauer wäre das schon eine Wettbewerbsverzerrung. Und nachdem die Privatbanken uns immer vorgeworfen haben, dass der Staat für die Sparkassen gehaftet hätte, kann es nicht sein, dass sie nun selbst auf die Dauer Vorteile bekommen.
Auch andere Privatbanken sind dabei, sich neu auszurichten. Sie haben die privaten Kunden wiederentdeckt, werben mit großartigen Zinsen - und machen den Sparkassen damit mächtig Konkurrenz.
Wer sein Geld bislang international erwirtschaftet hat, muss sehen, wie er künftig zu Erträgen kommt. Der Wettbewerb wird dabei weniger um den Massenkunden gehen, der von Hartz IV lebt. Der wird weiter froh sein, dass er die Sparkasse oder die Volksbank hat, an deren Geldautomaten er zu einigermaßen akzeptablen Bedingungen an sein Geld kommt. Es wird um die großen, guten Kunden gehen. Uns schreckt dabei nicht der Wettbewerb, den muss man wollen. Woran man aber Zweifel haben kann, ist Folgendes: Im Moment werden Institute, die nicht mehr mithalten können, durch den Bankenrettungsschirm abgesichert, also durch unser aller Geld. Wenn diese dann viel bessere Konditionen bieten als andere, ist das eine Wettbewerbsverzerrung. Trotzdem kann man diese Sicherungsmaßnahmen nicht infrage stellen, denn wir leben in einem gemeinsamen Finanzsystem, in dem kein Teilnehmer Interesse daran haben kann, dass die derzeitige Unsicherheit weiterbesteht.
Bisher hat keine Bank ihre schlechten Wertpapiere an den Fonds abgegeben, weil sie sie ohnehin zurücknehmen müsste. Privatbanken fordern eine "Bad Bank", in der der Staat alle diese Papiere bündeln könnte.
Eine Bad Bank hat den großen Vorteil, dass sich die Banken von sehr arbeitsintensiven Krediten befreien können, die abgewickelt werden müssen. Sie haben dann mehr Energie, sich mit dem Neugeschäft zu befassen. Wenn sie alles in einer Bank lassen, belastet die alte Zeit das Management zu stark. Die Frage ist aber: Wer bezahlt das? Es wäre nicht gut, wenn die Institute ihre faulen Kredite auslagern würden, die Aktionäre wieder Dividenden bekämen - und die Allgemeinheit bleibt auf den Kosten sitzen.
Wie würden Sie es machen?
Ich will nicht den Anspruch erheben, dass der Präsident eines kleinen ostdeutschen Verbandes die Welt retten kann. Aber ich halte den Lastenausgleich nach dem 2. Weltkrieg für vorbildlich. Damals hat man einen Fonds aufgelegt, der über 30 Jahre aus den Gewinnen der Bundesbank und anderen Zuflüssen getilgt wurde. Heute würde das bedeuten, dass die Banken, die unterstützt werden, ihre Schulden über einen gewissen Zeitraum abbezahlen müssten - beispielsweise mit 50 Prozent ihrer Gewinne.
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