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Spar-Strategie der BundesregierungKürzen, ohne dass es jemand merkt

Geschickt setzt die Regierung ihr Haushaltspaket durch: Die Einsparungen sind unauffällig, betreffen nur Minderheiten oder werden dubios gerechtfertigt. Ein Aufschrei bleibt so aus.

Das Lieblingstier der Regierung: ein schweigsames Sparschwein. Bild: dpa

BERLIN taz | Die öffentliche Empörung über das aktuelle Haushaltspaket hält sich in Grenzen. Denn die Sparmethoden funktionieren eher unauffällig. Eine "leise" Methode besteht etwa darin, Kürzungen erst in Zukunft spürbar werden zu lassen, wobei die Beträge pro Person auch eher gering sind.

So will die Regierung im nächsten Jahr den Batzen von 1,8 Milliarden Euro sparen, indem für Empfänger von Arbeitslosengeld II künftig kein Rentenversicherungsbeitrag mehr eingezahlt wird. Pro Jahr des Hartz-IV-Bezugs mache das eine Minderung des monatlichen Rentenanspruchs um nur 2 Euro aus, heißt es im Haushaltsbegleitgesetz. Das klingt nach wenig. Aber wer viele Jahre gearbeitet hat und dann mit 55 Jahren keinen Job mehr findet und Hartz IV beziehen muss, kann auf diese Weise am Ende in der Grundsicherung im Alter landen, früher Sozialhilfe genannt.

Eine wirksame Methode zur Rechtfertigung von Sozialkürzungen besteht darin, verschiedene Empfängergruppen gegeneinander auszuspielen. So wird das Elterngeld für die Bezieher von Hartz-IV-Leistungen künftig vollständig auf die Grundsicherung angerechnet, das Plus von monatlich 300 Euro pro Kind fällt damit weg. In der Begründung zum Haushaltsbegleitgesetz heißt es, damit "konturiere" man das Anreizsystem in Hartz IV.

Schließlich werde der Arbeitslohn bei erwerbstätigen "Aufstockern" auch zu einem großen Teil auf die Grundsicherung angerechnet. 450 Millionen Euro spart der Wegfall des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher. Die geringfügige Absenkung des Elterngeldes für Besserverdienende bringt im nächsten Jahr nur 155 Millionen Euro ein.

Auch der Aufschrei über Kürzungen, die nur kleine Minderheiten betreffen, bleibt aus: darüber etwa, dass es keinen befristeten Zuschlag mehr gibt, wenn jemand vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II (Hartz IV) fällt. Insgesamt sind davon nur 180.000 Erwerbslose betroffen. Doch diese müssen im Schnitt immerhin auf 111 Euro im Monat verzichten. Dieser Posten bringt 210 Millionen Euro an Einsparungen im kommenden Jahr.

Die Streichung der Heizkostenkomponente des Wohngelds ist ebenfalls eine "leise Kürzung". Schätzungsweise 800.000 Wohngeldempfänger gibt es in Deutschland, viele davon Rentner im Osten, die kaum eine Lobby haben. Sie verlieren einen Heizkostenzuschuss von 10 bis 30 Euro im Monat. In einigen tausend Fällen könnte die Einbuße dazu führen, dass die Betroffenen dann aufstockendes Hartz IV oder Grundsicherung im Alter beantragen müssen mit der damit verbundenen Bedürftigkeitsprüfung.

Es gibt aber auch Einsparungsposten, die bei guter Konjunktur erst mal noch nicht zum Tragen kommen. Der Finanzplan des Bundes sieht Ausgabenminderungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) von 1,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr vor. Aber die Arbeitslosenquote sinkt, die Ausgaben sinken ohnehin. "Die BA geht derzeit davon aus, dass im Eingliederungstitel die Pro-Kopf-Summe für aktive Arbeitmarktpolitik 2011 nicht reduziert wird", sagte eine BA-Sprecherin der taz. In den Folgejahren soll aber noch mehr Geld im Haushalt der Bundesagentur eingespart werden. Dann könnte es knapp werden für die Betroffenen.

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19 Kommentare

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  • A
    Anita

    Das Lustigste daran ist: Es wird nicht das Elterngeld gestrichen, es wird lediglich auf ALG2 angerechnet. Was bedeutet, dass die nicht-arbeitende Frau des Gutverdieners, die sowieso keinen Anspruch auf ALG2 hat, trotzdem 300 Euro Elterngeld bekommt.

  • AB
    alles beim Alten

    Was für eine Milchmädchenrechnung...

     

    - So will die Regierung im nächsten Jahr den Batzen von 1,8 Milliarden Euro sparen, indem für Empfänger von Arbeitslosengeld II künftig kein Rentenversicherungsbeitrag mehr eingezahlt wird. -

     

    Die Rente kann doch bereits jetzt nicht mehr bezahlt werden. Jedes Jahr pumpt die Regierung Milliardenbeträge in die Rentenversicherung, damit das System nicht zusammenbricht. Wenn sie jetzt die Rentenbeiträge von ALG II kürzt, muss sie es an anderer Stelle wieder einzahlen. Kurzfristig hat diese Aktion also keinen Einspareffekt.

     

     

    - Pro Jahr des Hartz-IV-Bezugs mache das eine Minderung des monatlichen Rentenanspruchs um nur 2 Euro aus, heißt es im Haushaltsbegleitgesetz. -

     

    Ziel ist es also, langfristig die Renten der aktuell arbeitenden Bevölkerung zu verringern. Davon betroffen sind ausschließlich jene, die vorübergehend soviel verdient haben, dass sie einen Rentenanspruch oberhalb der Grundsicherung beziehen könnten. Langzeitarbeitslose, Aufstocker und anderere Gruppen mit dauerhaft geringem Einkommen werden davon nichts merken, weil auch mit der alten Regelung nur die Grundsicherung erhalten würden.

     

     

    - Das klingt nach wenig. Aber wer viele Jahre gearbeitet hat und dann mit 55 Jahren keinen Job mehr findet und Hartz IV beziehen muss, kann auf diese Weise am Ende in der Grundsicherung im Alter landen, früher Sozialhilfe genannt. -

     

    Die Rentenansprüche sinken mit jedem Jahr ALG II um einen Monatsbetrag von 2,- Euro. Wenn man vom 55 Lebensjahr bis zum Renteneintrittsalter von momentan 67 Jahren auf ALG II angewiesen ist, also 12 Jahre, dann mindert sich die Rente um 24,- Euro. Das heißt, für die Rentenansprüche im Alter spielt der Rentenbeitrag aus ALG II nur eine sehr untergeordnete Rolle (Grundsicherung incl. Miete, Krankenkasse, etc. beträgt etwa 700 EUR). Das eigentliche Problem für die Rentenansprüche sind die fehlenden Jahre in einem Jobs mit ausreichendem Einkommen.

     

     

    Resümee:

     

    Die Einsparungen betreffen vor allem ehemals gut verdienende Arbeitnehmer, die über mehrere Jahre ohne Arbeitseinkommen waren. Für prekär Beschäfftigte ändert sich nichts, da diese sowieso nur die Grundsicherung erhalten würde. Die Einspareffekte sind ebenfalls gering, da das eingesparte Geld an anderer Stelle doch ausgegeben werden muss.

  • A
    Amos

    Wie wär's mal damit? Keine Diäten mehr an Politiker, die neben ihrem Mandat noch saftige Nebeneinkünfte haben.

  • AS
    Amir Soukie´

    tja, ich weiß schon warum ich den absolut größten Teil meines bisherigen Berufslebens schwarz gearbeitet habe (und es auch in Zukunft tun werde).

    Das hätte sich alles gerächt (gerecht?). So bin ich Asi und nix verändert sich im Alter, supi. Nicht das jemand denkt, ich würde den anderen nur auf der Tasche liegen, ein wenig sinnvollere Strukturen, weniger Gier, und schon wäre für alle mehr soziales Denken angesagt, woll´n wir wetten.

  • DL
    Dr. Ludwig Paul Häußner

    Auf leisen Sohlen zum bedingungslosen Grundeinkommen

     

    ----------------------------------------------------

     

    Schwarz-gelb beherzigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu HARTZ IV von Anfang dieses Jahres.

     

    Von Presse und Medien unerkannt hat das BVG ein neues Grundrecht geschaffen: das Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum.

     

    Weshalb sollte der Staat auch mehr zahlen als das Existenzminimum, so die Logik von schwarz-gelb und wohl auch der Mehrheit der WählerInnen?

     

    Was bleibt, ist der Streit um die Höhe von HARTZ IV und dessen Bedingungslosigkeit.

     

    Wie wäre es mit dem Pfändungsfreibetrag von knapp 1.000 Euro monatlich und der Abwicklung (des "Basisgeldes" so der neue Begriff von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen) über die lebenslange persönliche Steueridentifikationsnummer?

     

    So gesehen kommt das bedingungslose Grundeinkommen auf leisen Sohlen daher.

     

    L.P. Häußner, Karlsruhe

  • M
    Mendi

    Erst wurden die Hartz4 Empfänger solange diskriminiert bis sie sich nicht mehr trauen sich zu wehren und jetzt werden sie weiter erniedigt. Da nützt auch ein wohlklingenderer Name nichts mehr.

  • M
    Marita

    "So will die Regierung im nächsten Jahr den Batzen von 1,8 Milliarden Euro sparen, indem für Empfänger von Arbeitslosengeld II künftig kein Rentenversicherungsbeitrag mehr eingezahlt wird."

     

    Würde die Rente dann nur geringer ausfallen, wäre dies noch nicht so dramatisch.

    Problematisch ist eher, dass sich die Anzahl der Rentenbezieher verringern wird.

    In der Zeit in der man bisher ALG 2 bezog, wurde die Zeit aufgrund der Rentenbeitragszahlung, der Wartezeit auf eine Rente angerechnet.

    Keine Rentenbeitragszahlung mehr über das ALG 2 bedeutet somit, dass gerade bei Langzeitbeziehern sich kein Rentenanspruch im Alter ermittelt, weil sie schlicht die 35 Jahre nicht voll kriegen.

  • R
    Rod

    In der Wirtschaft würde man so ein Vorgehen als unlauter bezeichen, wenn nicht sogar als Betrug.

     

    Den Banken wurden Milliarden nachgeworfen und die müssen sie nicht zurückzahlen. Bluten sollen nun diejenigen, die sich am wenigsten wehren können!

     

    Damit unterscheiden wir Menschen uns nicht mehr von Tieren. Warum führt man nicht gleich eine Euthanasie für Arbeitslose ein? Damit könnte man zu Gunsten der Banken und Reichen noch mehr sparen.

  • H
    herta

    "Aber wer viele Jahre gearbeitet hat und dann mit 55 Jahren keinen Job mehr findet und Hartz IV beziehen muss, kann auf diese Weise am Ende in der Grundsicherung im Alter landen, früher Sozialhilfe genannt."

     

    Sehr vorsichtig formuliert. Ich denke, es steckt doch ein System dahinter. Wer schon vorher Hartz IV bezogen hat, hat dann eben auch im Alter kein "Recht" mehr auf ein menschenwürdiges Leben, einfach, weil er ja schon vorher durch den Arbeitsmarkt deklassiert worden ist.

  • B
    bagelcat

    Haushaltdebatte hin oder her - nichts neues oder bisher ungesagtes im Leitartikel ist schade

  • G
    Goodman

    Solange hier kein "permanenter" Volksaufstand wie bei der DDR-Bürgerbewegung stattfindet, wird sich an der Umverteilung v. unten nach oben nichts ändern, da wir nur noch von Klientelpolitikern regiert werden.

     

    Wer nicht zahlen kann ("Mövenpickspende") u. seine Interessen nicht durch Lobbyisten vertreten lassen kann, wird bluten müssen.

     

    Früher nannte man das Feudalismus, heute Parteienoligarchie.

  • V
    vic

    Natürlich gibt es keinen Aufschrei. Aufschrei ist wenn sich die vereinigte Wirtschafts- und Stromelite per Medien gegen ihr Regierungspersonal wendet.

    Besserverdienern ist völlig egal wenn der Pöbel nichts zu fressen hat.

    Was kümmert den "Leistungsträger" das Schicksal der Hartz-Bodenschicht. Das realisiert der erst, wenn er selbst unten aufschlägt.

    Die wirklich Großen laufen ohnehin keine Gefahr dort jemals anzukommen. Da gibt es Prämien für`s Scheiße bauen, Pension statt Rente- natürlich ohne jemals eingezahlt zu haben und Gesundheitsvollversorgung- ebenfalls vom Pöbel finanziert.

  • F
    Friedrich

    Das beschlossene Haushaltspaket spekuliert auf die Zersetzung des Geselschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland und ist ein besonderes Geschenk an die Oposition .

    Dieser Politikstil erinnert stark an eine Marioneten-Regierung finanziert durch assoziale Großkonzerne .

    Die Art und Weise der Umsetzung soll zusätzlich provozieren und sugerieren das sich die Bundesregierung in einer art zwangslage befindet .Die arme Regierung .Und soetwas nennt sich Christlich Demokratische Union. Und nich vergessen ,niemand kann etwas dafür das er so ist wie ist .Die Mitglieder dieser Regierung kommen aus kreisen in denen die Entwicklung und Förderung der Sozialen Sensibilität negativ bewertet wird und der Stabilisierung des Elitedenkens im wege steht ,kaum ein Mensch dieser Schichten kann sich der Wirkung dieser lebenslangen Gehirnwäsche entziehen .Darum glauben die verantwortlichen dieses Sparpaket´s an die Korrektheit Ihrer Politik ohne die unselbstständigkeit Ihres Denkens und Handelns zu bemerken. Diese Leute sind wirklich arm .

  • L
    Leser

    *herzhaft lachend*

     

    Was haben Sie - oder sie - von Schwarz_Geld erwartet?

  • M
    MitVerfolgt

    olle gysi hat es sehr gut analysiert. wo zum geier war der rest der "opposition" ?

  • C
    Chaos Überall

    Zwischen 40 000 und 60 000 Polizeistellen werden in Großbritannien aus Kostengründen abgebaut. Die Londoner Regierung ist pleite. In vielen Regionen zieht sich die britische Polizei demnächst komplett zurück – und überlässt kriminellen Gruppen das Land. Die Entwicklung wird zeitversetzt auch Deutschland treffen. Denn auch in der Bundesrepublik gibt der Staat sein Gewaltmonopol und den Anspruch, den Staatsbürgern Schutz und Sicherheit zu garantieren, nach und nach auf.

  • C
    chasens

    Falls sich jemand erstmal einen grundlegenden Überblick über den Haushalt verschaffen möchte, kann ich diese Seite sehr empfehlen:

    http://bund.offenerhaushalt.de/

     

    Transparenz rockt!

  • KU
    kevin und jeanette

    keiner hier regt sich auf? ist wohl niemands geldbeutel betroffen - es trifft ja nur die unterschicht. liebe grüße an die entsolidarisierte gesellschaft, kevin und jeanette

  • K
    Kommentator

    Offensichtlich ist nur der Redaktion der Jungle World aufgefallen, dass das Sparpaket die Umsetzung der Sarrazin`schen Forderungen 1:1 ist:

     

    1. Von der Leyen kürzt den Heizkostenzuschlag nachdem Sarrazin dies wollte und sinngemeäß mit der Aussage "Zieht euch doch n warmen Pulli an!" begründete.

     

    2. Ebenfalls wird das Elterngeld gekürzt nachdem Sarrazin Anreize für die Fortpflanzung der angeblich genetisch bessergestellten Eliten wollte.

     

    Deutschland diskutiert über Sarrazin und vergisst seine Freunde in der Regierung, die sein Programm umsetzen.

    DGB? Kirche? SPD? Grüne? Linke? Gute Nacht!