Spannung im 3sat-Krimi: Kant im Thriller-Gewand
Der New-York-Krimi „A Most Violent Year“ kommt daher wie der kategorische Imperativ. Nebenbei verdreht er hollywoodtypische Rollenmuster.
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Ausnahmsweise sei der Schluss vorweggenommen. Ohnehin wird ihn kaum jemand sehen, denn er versteckt sich im Abspann. „Help cure violence“ heißt es dort, gefolgt von einem Hinweis auf die Webseite takepart.com. Die Seite wird nicht mehr betreut, verweist aber weiterhin auf die Nichtregierungsorganisation „Cure Violence“, die sich dem Kampf gegen Gewalt verschrieben hat. Der Begründer Gary Slutkin, ein Epidemiologe, verfocht die Idee, dass Gewalt ähnlich ansteckend sei wie eine übertragbare Krankheit. Wissenschaftliche Evaluationen bestätigten die Wirksamkeit des von Slutkin entwickelten Therapieansatzes.
1981 gab es diese Initiative noch nicht. In diesem Jahr verzeichnete New York eine der höchsten Kriminalitätsraten. Korruption hatte sich tief ins New Yorker Wirtschaftssystem eingefressen, auch ins Heizölgeschäft. In dieser Sparte hat sich der Einwanderersohn Abel Morales (Oscar Isaac) als Unternehmer durchsetzen können. Er möchte expandieren, ein Tanklager mit Schiffsanleger kaufen. Er setzt seine gesamten Ersparnisse als Anzahlung ein, seine Bank hat einen Kredit zugesagt.
Ausgerechnet jetzt werden immer wieder Tankwagen gekapert. Parallel ermitteln die Behörden gegen die hochgradig verrufene Branche. Das Heizöl wird gestreckt, der Fiskus betrogen. Morales – nomen est omen – dagegen sieht seine Marktchance gerade darin, beste Qualität zu liefern. Auch weigert er sich, seine Fahrer mit Pistolen auszustatten, wie es deren Gewerkschaft fordert. Gewalt provoziere nur neue Gewalt, so seine Überzeugung.
Der Druck nimmt zu. Ein Fahrer, der bereits einmal überfallen wurde, lässt sich auf eine Schießerei ein und bringt das Unternehmen in Misskredit. Die Bank beendet die Geschäftsbeziehung. Morales muss binnen weniger Tage anderthalb Millionen Dollar auftreiben, sonst verliert er das begehrte Grundstück und seine Anzahlung. Wie lange wird er der Versuchung widerstehen können, zu illegalen Mitteln zu greifen?
„A Most Violent Year“, Samstag, 23.45 Uhr, 3sat
J. C. Chandor schrieb und inszenierte mit „A Most Violent Year“ das rare Beispiel eines moralischen Thrillers, und er invertiert nebenbei noch hollywoodtypische Rollenmuster: Die klassisch dem Mann zugewiesene Beschützerrolle geht zum Teil auf die Ehefrau über. Anna Morales (Jessica Chastain) sagt früh im Film: „Wenn ich anfange, mich einzumischen, das willst du nicht erleben …“ Wird sie sich einmischen? Eine der vielen spannenden Fragen dieses auf Kants kategorischem Imperativ aufbauenden Krimis.
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