Spanisches Gesundheitssystem in Krise: Vor dem medizinischen Kollaps
In Notfall- und Grundversorgungszentren streiken Ärzte. Die konservative Landesregierung hat das öffentliche Gesundheitswesen stark ausgedünnt.
![Eine als Skelett verkleidete Person bei einer Demonstration. Eine als Skelett verkleidete Person bei einer Demonstration.](https://taz.de/picture/5906071/14/31467397-1.jpeg)
Doch davon ist Madrid weit entfernt. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Personal. In der Pandemie wurden 37 der 78 Notfallposten von der konservativen Regionalregierung (Volkspartei) geschlossen, die Ärzte in Krankenhäuser versetzt. Als die Notfallstellen auch im Sommer 2022 nicht wieder in Betrieb genommen wurden, kam es zu Protesten in der Bevölkerung. Im Mai 2023 stehen Regional- und Kommunalwahlen an, also versprach die Madrider Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso eine Wiederinbetriebnahme der Notfallposten für den 27. Oktober, ohne neues Personal einzustellen.
„Stattdessen verteilte sie die Ärzte der 41 Zentren die noch offen waren, auf 78“, sagt Justicia der taz. Bis zu 50 Kilometer weit entfernt wurden mancher versetzt. Benachrichtigt wurden die Ärzte über Nacht via E-Mail. „Ohne das mit der Ärztevereinigung zu verhandeln, ohne die Mitarbeiter anzuhören. Als wären wir Sklaven“, beklagt sich Justicia. Dutzende Zentren werden seither nur von einer Krankenschwester betreut. Nun traten die Ärzte in den Streik.
Regionalregierung legt den Streikenden Steine in den Weg
Statt zu verhandeln, ordnete die Regionalregierung an, dass während des Streiks ein Mindestdienst von 100 Prozent der Mitarbeiter gilt – ein praktisches Streikverbot. Viele Ärzte sind krankgeschrieben, 25 haben gekündigt. In der Führungsstruktur des Gesundheitssystems kam es zu mehreren Rücktritten. Das Madrider System sei kurz davor zu kollabieren.
Dass jetzt auch die Hausärzte, d. h. die Grundversorgung, in den Streik treten, hat mit Personalkürzungen zu tun. 50, 60 ja gar 80 Patienten pro Schicht sind in Madrid mittlerweile normal. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte die Grundversorgung 25 Prozent des Gesundheitshaushaltes entsprechen. In Spanien sind es durchschnittlich 14 Prozent – in Madrid 11 Prozent. Anstatt über die Rettung des Gesundheitssystems zu verhandeln, wie die Ärztevereinigung Amyts fordert, beschimpft die Madrider Regierungschefin die Ärzte als „faul“ und als diejenigen, „die das System zerstören“ – „politischer linke Aktivismus“, nennt es Díaz Ayuso.
In einem Fernsehinterview bot sie an, „jeden arbeitslosen Arzt noch einzustellen“. Das ganze hat nur einen Haken. Madrids Hochschulen bilden so viele Ärzte aus, wie sonst nirgends im Land.
Nur bleiben wollen sie nicht alle. 338 Familienärzte beendeten im Juni ihr Praxisjahr, 197 Stellen hat die Regionalregierung ausgeschrieben. Gerade einmal 59 konnten besetzt werden. Der Rest der jungen Mediziner ging in andere Regionen oder ins Ausland. „Überall ist es besser als hier“, sagt Justicia.
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